Wunderwaffe: Kriminalroman (German Edition)
gefunden zu haben und sich weiter anzutreiben.
Gemächlich nahm Nikolas auf einem Stuhl neben dem zugenagelten Fenster Platz und lugte durch zwei Holzbretter nach draußen. Das Wetter schien sich in diesen unsteten Märztagen nicht entscheiden zu wollen. Jetzt strahlte die Sonne vom Himmel, nach dem gestrigen Wolkenbruch. Gleichzeitig strömte ein kühler Wind durch die Ritzen des Holzes und ließ ihn sich schütteln. Am Himmel war keine Wolke zu sehen, wie Claire es gehofft hatte. Diese Frau war ihm weiterhin ein Rätsel. Er ließ sie nicht aus den Augen, während er die Konserve öffnete. Nur mit Mühe konnte er den ersten Ekel überwinden, erhitzte sich die rotbraune Masse und aß sie schließlich ohne wirklichen Appetit.
»Hab gehört, dass du noch weg willst«, posaunte Rohn viel zu laut, als er den Raum betrat. »Du weißt, dass die Einlösung deines Versprechens größte Gefahren für alle hier birgt?« Er wirkte ausgeschlafen, energiegeladen, beinahe ruhig. Als befände sich der Feldwebel jetzt, wo es auf ein Himmelfahrtskommando zuging, in seinem Element. Während alle konzentriert wirkten und mit sich selbst beschäftigt waren, war er entspannt. Während alle angespannt ihre Waffen reinigten oder still versuchten, sich abzulenken, schien er zufrieden, fast schon glücklich.
»Ihr fahrt doch gleich auch noch weg«, konterte Nikolas, während er sich einen weiteren Löffel in den Mund stopfte.
Rohn winkte ab. »Das ist etwas anderes, immerhin muss Claire mit ihren Verbindungsmännern reden, die uns auch hierhin gebracht haben. Falls wir in eine Kontrolle geraten sollten, wäre es nicht schlecht, wenn einer von uns korrektes Deutsch sprechen würde. Schließlich müssen wir auch noch zurück nach Paris, deshalb muss von Stülpnagel uns die Tore öffnen«, sagte er lakonisch.
Bei dieser Ausführung musste Nikolas schnauben, wobei Bohnensaft auf den Boden tropfte.
»Du glaubst wirklich daran, dass wir noch mal zurückkommen?«
»Aber klar doch«, entgegnete der Feldwebel sofort und mit einer Sicherheit in der Stimme, die Nikolas dazu veranlasste, für einen Moment das Kauen einzustellen.
Unbeirrt setzt sich Rohn neben ihn, klopfte ihm etwas zu kraftvoll auf die Schulter. »Du glaubst gar nicht, in was für einer Scheiße ich schon dringesteckt habe, Kommissar. Und wenn ich eines bei den ganzen Kommandomissionen gelernt habe, ist es die Tatsache, dass der Überraschungsmoment ein nicht zu unterschätzender Faktor ist. Glaub mir, im Gefecht kann vieles passieren.« Er ballte die Hände dazu theatralisch zu Fäusten. »Menschen, die noch nie geschossen haben, werden zu Kriegshelden, zeigen Führungsqualitäten, weichen Kugeln aus, gehen in Deckung, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Andere wiederum verkriechen sich unter Leichen, schließen die Augen, beginnen zu beten, brechen zusammen oder fangen an zu heulen. Doch wenn man nicht damit rechnet, angegriffen zu werden …«, sagte er verschwörerisch und lehnte sich weit rüber zu Nikolas. »Bei den Jungspunden, die mittlerweile eine Uniform tragen dürfen, liegt der Vorteil auf unserer Seite. Die Aktion ist wochenlang vorbereitet, alles wurde minutiös geplant. Schau dir die Männer an.«
Wie verlangt musterte Nikolas die Widerständler und erinnerte sich schmerzlich an den gestrigen Tag, als er hier eintraf. Sie waren gut ausgebildet, keine Frage. Alles erfahrene Soldaten, Männer, die wussten, wie man tötet. Genau wie Rohn einer war. Doch ob dies gegen die unglaubliche Übermacht ausreichen würde?
»Falls wir die Luftunterstützung bekommen und wenn unser Vorhaben nicht durchgesickert ist, dann haben wir eine Chance.« Er zog die Unterlippe nach oben, schlug ein Bein über das andere und kratzt sich über sein unrasiertes Kinn. »Ich würde sagen, dass sie bei einer Million zu eins liegt. Also ich würde wetten!«
»Gegen uns?«, schoss es aus Nikolas hervor.
»Klar, ich bin doch nicht verrückt«, sagte er breit grinsend. Er musste verrückt sein, eine andere Erklärung gab es nicht. Anscheinend machte ihm das Ganze hier auch noch Spaß. Obwohl das drohende Schwert des Todes hier über jedem Wort, jeder Bewegung, jedem Gedankengang schwebte.
»Zieh nur nicht zu viel Aufmerksamkeit auf dich, wenn du in Düsseldorf bist. Erledige, was du erledigen musst, und sei pünktlich am Treffpunkt.«
Nikolas nickte wortlos mit offenem Mund, immer noch wegen Rohns Kommentar geschockt.
»Können wir?« Die helle Stimme Claires riss sie aus ihrem
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