Wunschkonzert: Roman (German Edition)
fällt auf den Blumenstrauß, und ich entdecke einen weißen Umschlag, der daransteckt. Neugierig greife ich danach. Warme Begrüßungsworte meines neuen Chefs?
Ich öffne den Brief, eine Karte kommt zum Vorschein, die ich aufklappe. Als ich sie lese, schießen mir zum gefühlten hundertsten Mal in den vergangenen Tagen die Tränen in die Augen:
Liebe Stella,
es tut uns leid, was wir dir am Freitag alles an den Kopf geworfen haben. Sooo furchtbar bist du nämlich gar nicht!
Also: Sorry und nix für ungut!
Fast alle meine Kollegen haben unterschrieben (Martin Stichler fehlt natürlich), was ich so unglaublich niedlich finde, dass mir bei dem Gedanken an das, was ich vorhabe, auf einmal das Herz ganz schwer wird. Aber mein Entschluss steht fest, daran ist nichts mehr zu rütteln. Ich weiß, dass er richtig ist.
Gute zehn Minuten später ruft Hilde an, um mir zu sagen, dass David jetzt Zeit für mich hat. Ich mache mich auf den Weg zu seinem Büro. Im Flur begegnet mir – Martin Stichler. Natürlich, das musste ja sein!
»Hi, Stella!«, begrüßt er mich grinsend. »Bist du also auch hier an Bord? Dann können wir uns ja auf lustige und spannende Zeiten freuen.«
»Halt die Klappe«, teile ich ihm lapidar mit und gehe einfach an ihm vorbei.
Idiot!
»Hallo, Stella! Nimm bitte Platz«, werde ich von meinem Chef aufgefordert, und er deutet auf einen der gleichen Ledersessel, wie sie in meinem Büro stehen. »Gut erholt vom Seminar?«
Ich nicke und wühle gleichzeitig in meiner Tasche, eine Sekunde später halte ich das Kindergeburtstagsbuch in der Hand und reiche es David.
»Danke dafür«, sage ich. »Ich brauche es nicht mehr.« Er sieht mich überrascht an.
»Nein?«
Ich schüttele den Kopf. »Am Wochenende«, erkläre ich ihm, »habe ich noch einmal alle Übungen gemacht.« Dass das mit meiner Mutter war, behalte ich für mich, das hat ihn nicht zu interessieren. »Dabei ist mir sehr viel klargeworden.« Ich mache eine kleine Pause. Dann sage ich: »Und zwar, dass ich mit sofortiger Wirkung kündige.«
»Wie bitte?« David sieht regelrecht schockiert aus.
»Ich kündige«, wiederhole ich in aller Ruhe und Gelassenheit, wobei ich mich erstaunlich gut fühle. Hätte nicht gedacht, dass es mir so leichtfallen würde, meine Entscheidung auszusprechen. Aber das tut es, wirklich!
»Aber«, bringt David irritiert hervor, »das verstehe ich nicht! Du hast doch im Gegenteil immer wieder betont, wie gern du deine Position als Senior A&R-Manager auch bei World Records weiter behalten willst.« Er mustert mich eindringlich. »Und ich hatte auch zu keiner Sekunde vor, dich zu entlassen, glaub mir. Ich brauche dich hier! Warum willst du jetzt so plötzlich kündigen?«
»Hab mich eben dazu entschieden.«
»Darf ich fragen, warum?«
»Genau genommen bist du schuld«, erkläre ich. »Du und dieses Seminar. Das hat mir die Augen geöffnet. Darüber, wer ich bin – und was ich wirklich will.«
»Und was wäre das?«, fragt David nach.
»Zunächst einmal werde ich mir irgendeinen Nebenjob suchen. In einem Café, in einer Boutique, was weiß ich.«
»Und dann?«
»Dann fange ich eine professionelle Gesangsausbildung an.«
»Du willst Sängerin werden?« Er lacht erstaunt auf. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr!«
»Macht nichts.« Ich grinse. »Hauptsache, ich verstehe es.«
»Wäre trotzdem schön, wenn du es mir erklärst.«
»Du hast mir in deinem Brief geschrieben«, erläutere ich ihm meine Entscheidung, »ich solle das kleine Mädchen in mir suchen. Und dass wir alle uns hin und wieder daran erinnern sollten, wie unbeschwert wir als Kinder waren. Nicht mehr und nicht weniger habe ich getan.«
»Und dabei ist eine Gesangsausbildung herausgekommen?«, hakt mein Chef nach.
»Exakt«, bestätige ich ihm. »Als kleines Mädchen habe ich so gerne gesungen, ich hatte riesigen Spaß daran. Mein Vater war ja Pianist, und er hat mich oft zu sich ans Klavier gesetzt und mit mir zusammen gespielt und gesungen.« Allein bei der Erinnerung daran muss ich lächeln. »Aber nachdem er von heute auf morgen weg war, hat sich alles verändert. Mit der Zeit bin ich immer mutloser und verstockter geworden und habe meine eigentlichen Träume und Wünsche komplett aus den Augen verloren.«
»Und die möchtest du jetzt nachholen?«
»Wenn du damit sagen willst, dass es vermutlich ein bisschen spät dafür ist: mag sein.« Ich zucke mit den Schultern. »Aber ich habe fast mein gesamtes Leben über immer nur Dinge
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