Wunschkonzert: Roman (German Edition)
macht bei DSDS mit den Kandidaten ja auch manchmal lustige Späße – und Sekunden später würgt er ihnen einen dermaßen gemeinen Spruch rein, dass so mancher danach so aussah, als brauchte er dringend therapeutische Betreuung. Von daher: Holzauge, sei wachsam!
»Jedenfalls«, sagt David, »braucht ihr euch alle keine Sorgen zu machen. Unsere Reise wird mit Sicherheit ein großer Spaß!«
»Wo genau geht’s denn hin?«, will Martin Stichler wissen.
»Wird nicht verraten«, teilt unser Chef ihm mit. »Das ist eine Überraschung.«
»Noch eine Überraschung!«, stöhnt Hilde auf, woraufhin David sie fröhlich anlacht.
»Hilde, richtig?« Sie nickt.
»Was wäre das Leben denn ohne Überraschungen?«
Angenehm übersichtlich und ohne unerwartete Katastrophen,
denke ich, sage aber natürlich nichts.
»Okay«, sagt Hilde ein bisschen unsicher. »Ich … also … ich freue mich darauf, das wird sicher ein unvergessliches Erlebnis!«
»Glaube ich auch«, flüstert Tobias mir aufgeregt zu, »wir werden es uns da lustig machen, das klingt nach einem Riesenspaß!« Er kichert. »Wie früher im Ferienlager.« Sein Blick wandert unauffällig rüber zu Natascha, der Volontärin auf der Fensterbank. Sie bemerkt es, läuft rot an und senkt den Blick zu Boden.
»Das werden wir noch sehen«, zische ich leise zurück und verdrehe die Augen. »An deiner Stelle würde ich jetzt lieber meine berufliche Zukunft statt einer blonden Auszubildenden im Auge behalten.«
»Kann ich beides«, erwidert Tobi grinsend, »bin voll der Multitasker.«
»Noch eine Sache«, unterbricht David unser Geflüster. »Lutz hat euch ja schon gesagt, dass die gesamte Angelegenheit erst einmal unter uns bleiben soll. Sobald wir nach dem Seminar unsere neuen Büros bezogen haben, gebe ich eine Pressemitteilung an die Branchendienste raus. Das muss ein richtiger Paukenschlag werden, also sollte bis dahin noch nichts durchsickern.« Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten. »Also dann!«, er klatscht aufmunternd in die Hände. »Wir sehen uns nächsten Freitag!« Mit diesen Worten steht er auf, auch die anderen erheben sich, die Versammlung löst sich auf. Eilig schnappe ich mir die Mappe mit meinen Unterlagen, drücke mich zwischen den Kollegen durch und hetze David Dressler hinterher, der zusammen mit Lutz den Flur runter Richtung Büro meines Ex-Chefs geht.
»Äh, David«, rufe ich, als ich ihn eingeholt habe. Er dreht sich zu mir und lächelt mich an.
»Ja? Stella, oder?«
Ich nicke. »Genau, Stella Wundermann, Senior A&R.« Ich halte ihm die Unterlagen hin. »Ich dachte, du würdest dir vielleicht schon einmal ein genaueres Bild von mir machen wollen, und habe dir ein paar Infos über mich zusammengestellt.« David betrachtet irritiert die Mappe, ohne Anstalten zu machen, sie mir abzunehmen. »Na ja«, füge ich achselzuckend und etwas unsicher hinzu, »das Übliche halt, Zeugnisse, Lebenslauf, meine bisherigen Erfolge, die Bands, die ich entdeckt habe, ein bisschen was über meine Vision für das Portfolio von World Records … so was eben … äh … dann kannst du schon mal …«
»Stella«, David unterbricht mich, jetzt wieder lächelnd, und legt mir eine Hand auf den Oberarm, »das ist wirklich nett von dir, aber überhaupt nicht nötig. Ich möchte euch lieber bei dem Seminar kennenlernen. So wie ihr wirklich seid. Lebensläufe interessieren mich nicht. Das ist doch nur Papier und sagt nichts über den Menschen aus.« Mit diesen Worten nickt er mir noch einmal zu, verschwindet dann zusammen mit Lutz in dessen Büro – und lässt mich einfach stehen.
»Soso«, erklingt direkt hinter mir eine tiefe Stimme. Ich fahre herum. Martin Stichler steht vor mir und grinst mich spöttisch an. »Tja«, stellt er fest. »Netter Versuch, Frau Kollegin! Deine Visionen für die Zukunft, ja? Na, Italiener waren ja noch nie für ihr Fair Play bekannt. Schade nur, dass es in diesem Fall ein Eigentor war.«
Ich bin zu perplex, um etwas zu erwidern, also starre ich ihm sprachlos hinterher, wie er beschwingt Richtung Ausgang spaziert. Dabei pfeift er für mich deutlich hörbar ein Liedchen vor sich hin:
Azzurro
von Adriano Celentano. Mochte ich noch nie, diesen Song!
4. Kapitel
M artin Stichler, das ist doch der Typ, den du mir mal vor ein paar Monaten auf einem Konzert gezeigt hast, oder?« Am frühen Abend lade ich meinen Frust telefonisch bei Miriam ab. Liebesurlaub hin, Liebesurlaub her – in Anbetracht der aktuellen Ereignisse musste ich
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