Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Zeitschrift, oder?«, frage ich und versuche damit, das Thema zu wechseln, denn eigentlich möchte ich vorerst nicht mehr über den Plattenvertrag reden.
»Das hab ich gemacht«, sagt er, »letzten Monat hab ich allerdings gekündigt.«
»Gekündigt?«, wiederhole ich erstaunt.
»Ja«, er nickt. »Ich will mich einfach voll und ganz auf die Band konzentrieren, und mit einem Job als Journalist, bei dem ich immer bis spät in die Nacht arbeite, geht das nicht.«
»Verstehe.« Ich hoffe, ich bin jetzt nicht so weiß um die Nase, wie es sich gerade anfühlt. Denn diese Information ist ein kleiner Schock für mich. Tim hat seine Stelle hingeschmissen? Einfach so? Ist der denn wahnsinnig? Ich spüre ein unangenehmes Kribbeln in den Händen, denn durch diese Neuigkeit wird in mir natürlich wieder schlagartig das schlechte Gewissen geweckt. Was, wenn es mit dem Album doch nicht klappt? O Gott, o Gott, es
muss
klappen!
»He«, unterbricht Tim meine Gedanken, »du siehst ja auf einmal so ernst aus. Hab ich was Falsches gesagt?«
»Äh, nein«, stottere ich. »Mir ist nur gerade ein bisschen kalt.«
»Willst du meine Jacke haben?«, fragt er und ist schon dabei, sie auszuziehen. Ich nicke. Tim steht auf und legt sie mir um. Dabei berührt seine Hand kurz meine Schulter, was mich leicht zusammenzucken lässt, als hätte ich einen Stromschlag bekommen. »Du frierst ja wirklich richtig, sollen wir vielleicht lieber reingehen?«
»Nein, ist schon gut.«
Gekündigt, gekündigt, gekündigt,
hämmert es ununterbrochen durch meinen Kopf. Tim setzt sich wieder hin. »Und, äh«, will ich wissen, »wovon lebst du dann jetzt?«
»Ich hab was gespart«, antwortet er mit einem Schulterzucken. »Damit komme ich noch eine Weile hin. Und wenn alle Stricke reißen, kann ich ja immer noch freiberuflich arbeiten.« Ich unterdrücke ein erleichtertes Seufzen, Tim soll schließlich nicht merken, dass mir hier gerade mal kurz der Pöppes auf Grundeis ging. Er lächelt mich an. »Aber ich gehe natürlich fest davon aus, dass wir schon sehr bald einen Vertrag machen können.«
»Ja, sicher«, ich nicke schnell, um keine Zweifel aufkommen zu lassen. Nicht dass er mir sonst gleich wieder sagt, er wolle sich bei einem anderen Label bewerben.
»Natürlich weiß ich«, fährt er fort, »dass das kein leichter Weg wird, der vor mir liegt. Ein eigenes Album ist ja nur der Anfang. Aber ich habe so lange davon geträumt, Musiker zu sein, dass ich dafür auch die Gefahr in Kauf nehme, irgendwann mal unter einer Brücke zu landen.«
Ich muss lachen.
»Was ist so lustig?«
»Na ja«, antworte ich und nehme einen Schluck von meiner Weinschorle, »mein größter Traum ist der, auf
gar keinen Fall
irgendwann unter einer Brücke zu landen.«
»Das Risiko besteht ja wohl nicht.«
Wenn der wüsste,
denke ich kurz finster, schüttele aber nur lächelnd den Kopf.
»Jedenfalls«, erzählt Tim weiter, »war ich während der Schule ein ziemlicher Außenseiter. Der Spinner mit der Gitarre, der jede freie Minute im Keller seiner Eltern verbracht hat, um da Musik zu machen.«
»Du hattest eben ein klares Ziel«, stelle ich bewundernd fest und habe gleichzeitig ein Bild vor Augen: der kleine Tim, wie er Akkorde übt und dabei vor lauter Eifer die Zungenspitze rausstreckt.
Süß!
»Schon. Aber es hatte auch etwas damit zu tun, dass ich nicht sonderlich beliebt war und kaum Freunde hatte. Von den Jungs, mit denen ich zusammen gespielt habe, jetzt mal abgesehen.«
»Nicht sonderlich beliebt?«, frage ich erstaunt nach. »Du?«
Er verzieht das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Wie das so ist, wenn man pummelig und pickelig ist und noch dazu eine Brille mit Glasbausteinen trägt. Da ist man nicht gerade der Liebling von allen, sondern eher ein beliebtes Opfer für Hänseleien.«
»Pummelig?« Der verarscht mich doch gerade, oder? »Pickel und dicke Brille? Das kann ich mir nicht vorstellen!«
Tim lacht. »Davon würde ich dir auch abraten, ich habe alle Fotos von damals vernichtet. Ich sah echt schrecklich aus!«
»Schade«, gebe ich kichernd zurück, »davon hätte ich gern mal eins gesehen.« Er schüttelt den Kopf und setzt eine betont ernste Miene auf.
»Selbst, wenn ich noch ein Bild hätte – würde ich es dir zeigen, müsste ich dich anschließend mit einem Betonklotz an den Füßen in der Elbe versenken.«
»Oh!« Ich gebe mich gespielt entsetzt. »Das wollen wir natürlich auf gar keinen Fall!«
»Nein, das wollen wir nicht. Und für eine
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