Wunschkonzert: Roman (German Edition)
bisschen schlecht, weil ich ihn ja darüber im Unklaren lassen muss, wie die Situation bei Elb Records und World Music beziehungsweise World Records momentan ist – aber dann schob ich den unangenehmen Gedanken beiseite, denn sobald sich alles sortiert hat, werde ich die Reeperbahnjungs unter Vertrag nehmen, das steht für mich außer Frage.
Wenn du dann noch Verträge abschließen darfst,
flüstert mir ein kleines Teufelchen zu, während ich vorm Badezimmerspiegel stehe und mir die Zähne putze. »Ach was!«, teile ich mir selbst mit. Wie hat Miriam gesagt?
Sorgen machst du dir dann, wenn es Grund dazu gibt!
Da denke ich lieber daran, wie Tim mich um halb eins bis zu meiner Haustür gebracht und sich mit Küsschen links und rechts auf die Wange von mir verabschiedet hat … Für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich schon, dass er mich richtig küssen wollte, als sein Gesicht meinem näher kam. Aber er blieb ganz Gentleman, was ich trotz allem Herzklopfen, das ich in diesem Augenblick verspürte, auch ganz gut so fand. Zum einen habe ich gerade genug andere Baustellen an der Hacke, zum anderen soll man Berufliches und Privates nie miteinander vermischen – und zum Dritten weiß ich ja, was passieren kann, wenn man sich auf einen Musiker einlässt. Da muss ich schließlich nur an meinen eigenen Vater denken. Nein, nein, ein bisschen Flirten ist okay – aber mehr nicht.
Nachdem ich mein übliches Samstagsprogramm absolviert habe – Einkaufen, Aufräumen, Wohnungputzen –, ist es auch schon Zeit, Miriam und Gunnar vom Flughafen abzuholen. Ich setze mich in meinen Fiat 500, werfe Tims CD ein, drehe den Lautstärkeregler nach ganz rechts (in diesem Fall bin ich mit Herbert Grönemeyer voll und ganz einer Meinung:
Ich mag Musik nur, wenn sie laut ist!
) und düse los. Unterwegs gehe ich meiner Lieblingsbeschäftigung nach: laut und zur Not auch schief mitgrölen
,
denn hier in meinem Auto kann – im Gegensatz zu gestern – schließlich niemand Zeuge meiner seit mehr als zwanzig Jahren brachliegenden Gesangsambitionen werden.
Beim Track
Nichts zu bereuen
drehe ich noch ein bisschen lauter, denn bei dem Song hat Tim eine Duettpartnerin, deren Part ich fröhlich mitträllere:
»Ich bin das Schwarz in all deinen Farben. / Der Stolperstein in deinem Revier. / Ich bin die Nacht in all deinen Tagen. / Ich bin der Mut, den du verlierst.«
Nichts zu bereuen (00:30)
Audio: Nichts zu bereuen (00:30)
Huuuuu, traurig, aber schön!
Zwanzig Minuten später erreiche ich beschwingt und mit quietschenden Reifen die Ankunftsebene des Flughafens. In der Kurzparkerzone finde ich eine kleine Lücke, in die ich gerade so passe, ziehe ein Parkticket (drei Euro für eine halbe Stunde – die haben sie ja wohl nicht mehr alle, was für eine Frechheit, Raub auf offener Straße!) und gehe in die Ankunftshalle. Mein Blick fällt auf die Infotafel. Na super! Der Flug ist zwanzig Minuten verspätet, hoffentlich kommt das noch mit der Parkzeit hin!
Seufzend lasse ich mich auf einen der schwarzen Stühle im Wartebereich sinken, krame in meiner Tasche und hole meinen aktuellen Schmöker hervor, der mit dem Schutzumschlag eines Sachbuchs über die Musikbranche gut getarnt ist. Und schon Minuten später bin ich wieder in die leidenschaftliche Geschichte von Sébastian und Angelique vertieft, die ihre Liebe nicht leben können, weil es da dieses kleine Freibeutereiproblem gibt und ihre Familien miteinander verfeindet sind und …
»Na, Frau Kollegin? Auch am Wochenende noch fleißig?«
Erschrocken fahre ich hoch – und blicke direkt in das lächelnde Gesicht von Martin Stichler. »Was machst
du
denn hier?«
»Oh, Verzeihung.« Er grinst ironisch. »Mir war nicht bewusst, dass der Flughafen gesperrtes Privatgelände ist.« Mit größter Selbstverständlichkeit lässt Martin sich auf den Sitz neben mir plumpsen, mit einer Wucht, dass die gesamte Stuhlreihe wackelt. »Du bist ja echt ’ne ganz Ehrgeizige«, stellt er fest und deutet dabei auf mein Buch.
»Was?«, will ich einigermaßen begriffsstutzig wissen. Was haben denn Sébastian und Angelique …? Erst dann fällt mir ein, dass ich den Liebesschmöker ja als Fachbuch getarnt habe. »Man lernt schließlich nie aus«, stelle ich schnippisch fest und lasse meine Lektüre schnell zuschnappen, ehe Martin Stichler erkennen kann, dass es sich so gar nicht um Fachaufsätze zum Thema Musikmarketing und -promotion handelt.
»Ansichtssache«, erwidert er, lehnt sich
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