Wunschkonzert: Roman (German Edition)
zurück und verschränkt die Hände im Nacken. Dabei nimmt er so viel Raum ein, dass ich beinahe seinen Ellbogen an den Kopf bekomme. Genervt rücke ich ein Stück von ihm ab. »Ich persönlich glaube ja an das hier«, er nimmt eine Hand runter und schlägt sich damit auf sein durch das enganliegende Hemd erkennbare Sixpack. »Bauchgefühl, Intuition. Darum geht’s doch. Musik hat was mit Gefühl zu tun, nichts mit dem Kopf. Das siehst du doch auch so … oder?«
»Hmm, ja.« Ich mache Anstalten, aufzustehen. »Vielen Dank für diese interessante Belehrung, aber ich muss jetzt leider los.«
»He!«, ruft er und hält mich am Ärmel fest. Wenn ich nicht riskieren will, dass er mein
Vive-Marie
-Longshirt zerfetzt, muss ich wohl oder übel sitzen bleiben. Frechheit!
Energisch mache ich mich von ihm los. »Sag mal, spinnst du?«
»Jetzt sei doch nicht so«, bittet Martin und wirkt dabei nahezu zerknirscht. Wenn das echt ist, sollte es mich wundern – aber wenn nicht, wäre es verdammt gut gespielt. »War nicht böse gemeint. Komm, bleib doch sitzen. Du scheinst ja hier zu warten, ich habe gerade jemanden weggebracht. Wenn du magst, können wir ein bisschen plaudern und die Zeit für dich verkürzen.«
»Wozu?«, entgegne ich giftig. »Damit ich mir noch ein paar mehr deiner Weisheiten anhören muss? Oder damit du noch ein paar Witzchen über Reservebänke loswerden kannst?«
»O Mann!« Er hebt abwehrend die Hände. »Das war doch nur ein Spaß!«
»Ja, ich lache gerne später darüber.« Dann werfe ich einen Blick auf meine Armbanduhr. »Außerdem muss ich jetzt leider weg, mein Parkticket ist abgelaufen.« Mit diesen Worten stehe ich endgültig auf.
»Du bist ja echt so verspannt und spießig, wie man immer hört«, kommt von ihm prompt die nächste Unverschämtheit.
»Mein Parkticket ist abgelaufen«,
äfft er mich mit Kleinmädchenstimme nach. »Das ist natürlich ein absolutes Drama, dafür kommst du bestimmt in den Knast.«
Ohne dem Idioten weitere Beachtung zu schenken, marschiere ich davon. Was für ein Penner! Mit dem soll ich übernächste Woche sieben Tage in der Lüneburger Heide verbringen? Das kann ja was werden!
Als ich fünf Minuten später zurück in die Ankunftshalle komme, ist Martin Stichler glücklicherweise verschwunden. Hatte schon befürchtet, der würde auf mich warten, um mir noch mehr Frechheiten um die Ohren zu hauen. Stattdessen tauchen just in diesem Moment Miriam und Gunnar in der gläsernen Schiebetür zum Baggage Claim auf.
»Stella!«, brüllt Miriam, kommt auf mich zugerannt und reißt mich in ihre Arme.
»Hoppla!«, rufe ich überrascht aus. »Nicht so stürmisch, du wirfst mich ja fast um!«
»Ich bin einfach nur so froh, wieder hier zu sein!«
»Ihr wart doch nur zwei Wochen weg«, sage ich – und setze innerlich die Frage hinterher:
Auweia, was ist denn hier los? Streit im Liebesurlaub, oder was?
Ich nicke Gunnar zu, der mit zwei Koffern angerollt kommt. Er grinst mich breit an. Okay, Entwarnung, dann kann es wohl nicht so schlimm sein. »Hast du mich so sehr vermisst?«, frage ich und schlage dann einen bewusst neckenden Ton an: »Oder hast du dich mit Gunnar etwa unsterblich gelangweilt?«
Miriam lacht. »Das eine ja, das andere … nicht unbedingt.«
Gunnar droht ihr spielerisch mit dem Finger. »Vorsicht, Fräulein, sonst kaufe ich sofort ein Ticket, und es geht schnurstracks dorthin zurück, wo wir gerade herkommen.«
»Ich sehne mich einfach so sehr nach ordentlichem Essen!« erklärt Miriam und zieht ihre Nase kraus. »Ich kann dir sagen: Nach vierzehn Tagen französischer Küche halluziniert man von einem schönen dicken Jägerschnitzel mit fetter und klumpiger Soße!«
»Und das sagt die Frau, die mir immer predigt, dass ich auf meine Gesundheit achten soll«, frotzelt Gunnar, stellt die Koffer ab und breitet die Arme aus. »Jetzt aber erst mal hallo!«
»Hi!« Ich nehme ihn in den Arm. »Das Essen war also schrecklich?«, will ich von ihm wissen. Er lacht mich an.
»Kann man so nicht sagen. Aber im Gegensatz zu meiner Liebsten bin ich ja auch ein Gourmet und kein Gourmand.«
»He!«, beschwert Miriam sich. »Was soll das heißen, ich bin ein Vielfraß?« Gunnar gibt ihr einen zärtlichen Klaps auf den Hintern.
»Ach, meine Süße, natürlich nicht. Und außerdem: Ich liebe jedes Kilo an dir.«
»Wie bitte?« Miriam stemmt gespielt erbost die Hände in die Hüften. Tatsächlich ist sie eine eher kurvige Blondine. Nicht dick, sondern genau
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