Wunschkonzert: Roman (German Edition)
drei Betten belegt und ihre Sachen ausgepackt, als ich wieder ins Schwalbennest komme.
»Schön, dass du es dir überlegt hast«, freut sich Hilde, und es klingt aufrichtig. Sie sitzt unten auf einem der zwei Hochbetten und deutet nach oben. »Der Schlafplatz über mir ist noch frei«, erklärt sie, »bei meinem Gewicht und meiner Gelenkigkeit dachte ich, es sei besser, wenn du da hochkletterst.« Dann blickt sie etwas zerknirscht und wirft auch Jenny und Natascha kurz einen entschuldigenden Blick zu. »Ich sag’s euch übrigens lieber gleich: Ich schnarche ziemlich laut.«
»Na prima, auch das noch!«, murrt Jenny.
»Darum mach dir mal keine Sorgen.« Seufzend lege ich meine Handtasche auf meinem Bett ab, dann öffne ich den kleineren meiner zwei Koffer und krame mein Notfallpäckchen hervor. »Hier«, meine ich, als ich Jenny und Natascha jeweils ein Paar Ohropax in die Hand drücke, ein drittes Paar deponiere ich auf dem Regal, das oben neben meinem Bett an die Wand gedübelt ist.
»Du hast ja offenbar an alles gedacht«, stellt Jenny überrascht fest.
»Ja, so ist sie, unsere Stella«, erklärt Hilde lachend, »nicht umsonst nennen wir sie unsere
Miss Hundertprozent.
« Sie zwinkert mir zu. »Und ihr Perfektionismus kann manchmal nerven, aber auch ausgesprochen praktisch sein.«
»Haha«, gebe ich zurück.
»Ich brauche die aber nicht, danke«, erklärt Natascha und gibt mir die Ohrstöpsel zurück. »Mein Schlaf ist so tief und fest, dass neben meinem Bett eine Blaskapelle spielen könnte, und ich würde nicht aufwachen.«
»Beneidenswert«, meine ich. »Aber als ich in deinem Alter war, ging mir das auch noch so.«
»Leidest wohl schon unter seniler Bettflucht, was?«, will sie wissen und grinst mich frech an.
»Falsch«, antworte ich leicht zickig. »Aber je größer die Verantwortung ist, die man trägt, desto unruhiger wird der Schlaf. Als Volontärin kannst du das natürlich noch nicht nachvollziehen, aber …«
»Jaja«, unterbricht sie mich, »Tobias hat mir schon erzählt, wie unheimlich wichtig du bist.«
»So?« Ich runzele die Stirn. »Hat er das? Na, er muss es ja wissen!« Irgendwie nervt mich Nataschas Behauptung gerade mehr, als ich mir selbst eingestehen will. Hat mein Junior nichts Besseres zu tun, als sofort bei einer neuen Kollegin über mich zu lästern, oder was? »Tobias sollte lieber zusehen, dass …«
»Kinder!«, geht Hilde dazwischen. »Jetzt streitet doch nicht! Wir wollen hier zusammen eine nette Zeit haben.«
»Richtig«, gebe ich ironisch zurück, »zusammengepfercht wie in einer Legebatterie.«
»Ach Stella«, unsere Sekretärin lacht, »so schlimm wird’s schon nicht werden, bestimmt gewöhnen wir uns alle schnell an die ungewohnte Situation. Gerade in eurem Alter ist man doch noch flexibel!«
Statt ihr zu antworten, mache ich mich daran, meine Klamotten auszupacken und in den noch freien Schrank neben der Tür zu räumen. Im zweiten Koffer kommt unter einem Stapel Unterwäsche Möhrchen zum Vorschein. Schnell nehme ich die Wäsche heraus, klappe den Koffer zu und schiebe meine fast leeren Gepäckstücke zu den Koffern der anderen in eine kleine Abseite.
Tut mir leid, Möhrchen,
denke ich ein wenig wehmütig.
Du wirst die Woche im Koffer verbringen müssen.
Genauso wie mein schöner Schmöker, das Schicksal von Sébastian und Angelique muss bis nach Schneverdingen warten, denn ich habe keinen Tarnumschlag mit dabei. (Wieso auch? Ich ahnte ja nicht, dass wir hier untergebracht sind wie Bundeswehrsoldaten in der Grundausbildung!) Im Beisein meiner Kolleginnen eine Schmonzette zu lesen oder mit meinem Stoffhasen zu kuscheln, kommt jedenfalls überhaupt nicht in Frage, da mache ich mich ja lächerlich!
Ein unangenehmer Gedanke beschleicht mich: Hoffentlich kann ich ohne Möhrchen überhaupt einschlafen? Das habe ich schon seit Jahren nicht mehr gemacht. Das letzte Mal ist ewig her, als ich mit diesem Idioten zusammen war, der von heute auf morgen Schluss gemacht hat. Der wollte Möhrchen nicht im Bett haben – da hätte ich gleich ahnen müssen, dass der Kerl ein Arsch ist.
»Was passiert denn jetzt als Nächstes?«, will ich schließlich von den anderen wissen. »Gibt’s schon einen ersten Programmpunkt?«
»David sagte, wir sollen uns um elf alle im Aufenthaltsraum treffen«, erklärt Natascha. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr.
»Also genau jetzt«, stelle ich fest.
»Richtig«, meint Hilde und erhebt sich ächzend von ihrem Lager. »Vielleicht haben
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