Wunschkonzert: Roman (German Edition)
Martin mir zu. Da hat er recht. Und außerdem habe ich ja mein Smartphone, in dem ich bereits unsere Ausgangsposition gespeichert habe. Glücklicherweise ist Schneverdingen zwar ein Kaff, aber immerhin habe ich hier Empfang: Kaum hatten wir die Ortsgrenze passiert, piepte es gut und gern zehn Mal, um mir ein paar Anrufe in Abwesenheit zu melden.
»Da hat wohl jemand einen neuen Verehrer«, kommentierte Hilde hinter mir lachend.
»Hmm, genau«, wiegelte ich ab und studierte das Display. Mein Hauptverehrer mit insgesamt acht oder neun Anrufen: Mama. Klar! Aber immerhin entdeckte ich auch Miriams Nummer und die von Tim! Das freute mich mehr, als es vermutlich sollte, und ich würde ihn jetzt gerne zurückrufen, um zu erfahren, was er wollte. Aber zuerst muss ich wohl zusammen mit Martin die
Mission Büroklammer
erfüllen.
Wir machen uns paarweise auf den Weg, jeweils ein Mitarbeiter von Elb Records mit einem von World Music. Im Bus hatte Tobias noch versucht, seinen Teampartner Robert gegen Natascha einzutauschen, was David aber nicht erlaubte. Irgendwie süß, diese jungen Leute, bei der Verabschiedung auf dem Marktplatz sehen die Volontärin und mein Junior A&R sich so sehnsüchtig an, als müsse er in den Krieg ziehen. Mindestens. Jaja, die Liebe! Bis man dann einige Jahre später und reifer feststellt, dass sich Schmetterlinge im Bauch irgendwann zu handfesten Magenschmerzen entwickeln können …
»Lass uns mal ein bisschen von den anderen absetzen«, unterbricht Martin meine Gedanken. »Wobei das in diesem Örtchen hier wohl nicht ganz einfach wird.«
Vom Markt aus spazieren wir die Schulstraße entlang und schlagen uns einige hundert Meter weiter in eine kleinere Seitenstraße. Martin dreht sich hin und wieder um, weil er sichergehen will, dass uns keiner unserer Kollegen folgt. Ich persönlich finde das ein bisschen paranoid, denn was soll schon passieren, wenn wir in derselben Straße unterwegs sind wie ein anderes Team?
»So, dann wollen wir mal«, meint Martin irgendwann, als wir an einer Reihe von Einfamilienhäusern mit gepflegten Vorgärten stehen bleiben.
»Hast du die Büroklammer?«, will ich wissen, denn er hat sie vorhin eingesteckt.
»Ja«, antwortet er. »Aber die brauchen wir nicht.«
»Wir sollen sie doch tauschen.«
Statt etwas zu erwidern, holt Martin aus der hinteren Hosentasche seiner Jeans sein Portemonnaie hervor und zieht einen Fünfzig-Euro-Schein raus.
»Lass uns lieber den hier nehmen«, schlägt er vor.
»Fünfzig Euro? Versteh ich nicht.«
Martin lacht fröhlich, und schon wieder bildet sich dabei das niedliche Grübchen in seiner Wange. »Stella, wie naiv bist du denn? Meinst du, ich fange jetzt allen Ernstes an, eine Büroklammer zu tauschen?«
»Aber genau das sollen …«
»Quatsch!«, unterbricht er mich. »Wir wollen bei dieser Aufgabe doch erfolgreich sein, oder?«
»Ja, klar.« Ich nicke. »Aber die Regeln sind doch eindeutig festgelegt.«
»Bis wir mit dieser blöden Büroklammer irgendetwas Wertvolleres ertauscht haben, laufen wir uns hier die Füße platt. Also vereinfachen wir die Sache ein bisschen und bieten jemandem fünfzig Euro an, damit er uns dafür irgendetwas gibt, das vorzeigbar ist.«
»Hmm«, mache ich, »ich weiß nicht …«
»Spielst du jetzt die Bedenkenträgerin oder was?«
»Na ja, die Aufgabe ist ja schon anders gedacht. Was du vorhast, ist nicht ganz korrekt.«
Er lacht wieder. »Himmel, Stella! Was soll das heißen, das ist nicht ganz korrekt? Muss immer alles korrekt sein?«
»Ja«, antworte ich entschlossen – und fühle mich gleichzeitig wie eine furchtbare Spießerin.
Martin verdreht die Augen. »Glaubst du, die anderen machen das nicht auch so?«, will er wissen.
»Keine Ahnung. Ich persönlich wäre noch nicht einmal auf so eine Idee gekommen.« Und das ist nicht mal gelogen – stattdessen bin ich im Kopf schon mal durchgegangen, was ich sagen kann, um jemanden zu einem Tausch zu bewegen, statt uns einfach für Verrückte zu halten.
Er klopft mir fast väterlich auf die Schulter. »Dann ist es ja gut, dass du mich zum Teampartner hast.« Mit diesen Worten will er auf ein Haus zumarschieren, in dessen Vorgarten eine Niedersachsen-Fahne flattert, aber ich halte ihn zurück.
»Warte mal, Martin!« Er bleibt stehen. »Sorry, aber ich finde das wirklich nicht richtig und habe dabei kein gutes Gefühl.«
Vor allem,
füge ich in Gedanken hinzu,
wenn das irgendwie auffliegt.
Das würde David mit Sicherheit nicht gut
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