Wunschkonzert: Roman (German Edition)
gegen etwas wesentlich Wertvolleres einzutauschen.«
Ich muss plötzlich kichern.
»Was ist so lustig, Stella?«, fragt David mich freundlich.
»Ach, nichts«, ich mache eine wegwerfende Handbewegung. Aber in Wahrheit musste ich gerade daran denken, dass ich den Campingkocher doch hätte kaufen sollen. Dann wäre ich schon ein paar Schritte voraus!
»Gut«, sagt David, »der Bus wird uns jetzt nach Schneverdingen bringen, dort habt ihr bis halb sechs Zeit für die Aktion, danach fahren wir wieder zurück. Frau Becker hat für uns Lunchpakete vorbereitet, sie liegen vorn in der Eingangshalle auf dem Tisch.« Er zieht ein Blatt Papier aus seinem schwarzen Buch hervor. »Folgende Teams habe ich eingeteilt.« Er fängt an, unsere Namen vorzulesen. Und ich kann nicht einmal behaupten, dass ich sonderlich überrascht darüber bin, dass ich zusammen mit Martin ein Team bilde. Irgendwie habe ich mir das schon gedacht.
»Na, Partner?« Kaum sind wir alle in den Bus eingestiegen, setzt Martin sich direkt neben mich und grinst. »Dann wollen wir mal zur großen Tauschaktion starten.«
»Hmm«, gebe ich einsilbig zurück. Nur weil er vorhin ganz nett zu mir war und ich mit ihm ein Team bilde, müssen wir ja jetzt nicht auf ganz dicke Kumpels machen. Ich krame demonstrativ in meiner Handtasche. Zum einen, um mich nicht mit Martin unterhalten zu müssen, zum anderen, um nach meinem Telefon zu suchen, weil ich nachsehen will, wann ich wieder Empfang habe. Sobald ich ein paar Balken sehe, werde ich mich mal kurz nach hinten in den Bus verziehen, um Mama anzurufen. Muss ihr ja schließlich sagen, dass die Sache hier trotz einiger Anfangsschwierigkeiten so weit ganz gut läuft und sie sich keine Sorgen machen muss.
Allerdings stelle ich beim Kramen fest, dass ich das Telefon offenbar in meinem Zimmer vergessen habe, ich kann es nirgends entdecken. Dafür habe ich meinen Discman mit, was auch immer ich mir dabei gedacht habe. Ich schüttele die Tasche, um ganz sicherzugehen, dass ich das Handy nicht dabeihabe. In diesem Moment macht der Busfahrer eine Vollbremsung und brüllt ein lautes »Du Arschloch!«, was offenbar dem Wagen vor uns gilt, dessen Fahrer in die Eisen gestiegen ist. Mit Schwung rutscht meine Tasche auf den Boden, und der komplette Inhalt entleert sich in den Mittelgang: Taschentücher, Lippenstift, Haarbürste, Tampons – was so ein Massengrab mit Henkeln halt so hergibt. Aber, immerhin: Auch mein Handy ist mit herausgefallen, hatte sich wohl irgendwo unter meinem gesammelten Krempel versteckt.
»So ein Mist!« Fluchend stehe ich auf und mache mich daran, meine Sachen wieder aufzusammeln.
»Warte, ich helfe dir!« Mit einem Satz ist Martin neben mir. Und hält eine Sekunde später meinen Discman in der Hand, der aufgesprungen ist. »Was hörst du da?«, will er wissen und wirft einen interessierten Blick auf die CD .
»Nichts!« Ich schnappe ihm den Discman weg, bevor Martin die Eddingaufschrift
Reeperbahnjungs
lesen kann.
»Wohl wieder die geheimnisvolle Musik, die du im Auto gehört hast und über die du nicht reden willst?«, mutmaßt er.
»Exakt«, gebe ich ihm recht. Hoffentlich werde ich Martin in Schneverdingen wenigstens für ein paar Minuten los, damit ich nicht nur Mama, sondern auch Tim noch einmal anrufen kann. Bei unserer Verabschiedung heute früh wirkte er doch recht angefressen, es kann vermutlich nicht schaden, wenn ich ihn wieder ein bisschen bepuschele. Für einen kurzen Moment denke ich an unseren gestrigen Abend im Atlantic und die gemeinsame Nacht. An die ich mich ja allerdings nicht mehr so richtig erinnern kann. War schon ganz schön, mit ihm zu knutschen …
Seufzend packe ich meine Sachen zurück in die Tasche und setze mich wieder neben Martin. Für solche Gedanken habe ich jetzt einfach keine Zeit!
»Also, viel Glück und Erfolg!«, wünscht uns David, als unser Trüppchen eine halbe Stunde später auf dem Marktplatz von Schneverdingen steht. »Merkt euch diese Stelle, hier treffen wir uns um halb sechs. Wenn ihr euch verlauft, fragt nach der bronzenen Heidekönigin.« Er zeigt auf die Statue einer jungen Frau, die auf einer Bank sitzt und auf dem Kopf eine Blütenkrone trägt. Sie hat die Beine übereinandergeschlagen und den linken Arm ausgestreckt, als würde sie jemanden dazu einladen, sich neben sie zu setzen. Wird bestimmt ständig zusammen mit Touristen fotografiert. »Die könnt ihr nicht verfehlen.«
»Als würde man sich hier verlaufen können«, raunt
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