Wunschkonzert: Roman (German Edition)
viel brennender interessieren. Aber leider lässt unser Chef das Buch nie irgendwo rumliegen, und ich kann es ihm ja nun schlecht aus der Hand reißen.
»Geht auch ein Musikvideo?«, will Tobias wissen, springt mit einem großen Satz vor und fängt an, eine imaginäre Luftgitarre zu spielen und seinen Kopf dabei vor- und zurückzuwerfen.
»Klar«, sagt David, »alles, was euch so einfällt, lasst eurer Kreativität freien Lauf.«
»Und wer im Team bestimmt, was genau gemacht wird? Also, wer ist der Regisseur?«, frage ich nach. Alle lachen auf, und ich frage mich, warum.
»Das legt ihr im Team fest«, erklärt mein Chef. »Das Ergebnis soll eine Gruppenarbeit sein.«
»Gruppenarbeit, Stella!« Tobias grinst mich an. »Verstehst du? Nix mit ›Wer ist hier der Boss?‹ und so, wir sind alle gleichberechtigt!«
»Jaja, ist schon gut«, gebe ich zurück und laufe dabei mal wieder rot an. Gleichzeitig würde ich gerne einwenden, dass ich nicht glaube, dass so etwas funktioniert, wenn nicht einer das Sagen hat. Beim Segeln bestimmt ja auch derjenige, der die Pinne in der Hand hält, wo’s langgeht. Ohne Steuermann würde man schneller Schiffbruch erleiden, als man SOS funken kann. Aber ich behalte meine Einwände für mich, wir werden ja sehen, wie das läuft.
»Dann legt mal los!«, ruft David in die Runde. »Um eins machen wir eine Stunde Pause, das Catering wird genau hier dann ein leckeres Büfett aufgebaut haben. Und bis dahin geht Team A ins Studio 1, Team B ins Studio 3. Außerdem könnt ihr auch das komplette Gelände nutzen. Also, viel Glück!«
»Nein, nein, nein! So geht das einfach nicht!« Zwei Stunden später – es ist bereits halb eins – platzt mir der Kragen. Denn wie nicht anders zu erwarten war, haben wir in den vergangenen eineinhalb Stunden nichts produziert außer Chaos. Über die Diskussion darüber, was wir miteinander drehen wollen, sind wir bisher nicht hinausgekommen. Denn während Oliver und Robert »irgendwas mit Action und Verfolgungsjagd« machen wollen – was in Anbetracht der Tatsache, dass unser Studio wie ein Zimmer in einer Studenten- WG eingerichtet ist, etwas schwierig sein dürfte, und für wilde Verfolgungsjagden auf dem Außengelände fehlen uns schlicht Zeit und Know-how –, plädiert Jenny wiederholt für eine Tanzszene aus dem Musical
Fame
und dreht zur Bekräftigung ihrer Forderung seit einer halben Stunde eine virtuose Ballettpirouette nach der nächsten an den restlichen Teammitgliedern vorbei. Mareike spricht sich für eine nachgespielte Casting-Show à la DSDS aus (was ich bisher noch am besten finde), Silke präferiert »irgendwas mit Klassik«, während Tobias und Natascha sich komplett ausgeklinkt haben, weil sie lieber miteinander knutschen wollen. Sie haben sich halb hinter einem Vorhang versteckt, nur hin und wieder hört man ein Kichern, ein spitzes Kieksen oder ein von Natascha halb empört hervorgebrachtes »Tobi, lass das«. Wirklich eine tolle Truppe, mit der ich hier zusammenarbeite, der Oscar ist uns so gut wie sicher!
Unser Kameramann sitzt derweil gelangweilt in einem Regiestuhl, liest die
Bild
und gibt gelegentlich ein höchst unmotiviert klingendes »Sagt Bescheid, wenn ihr so weit seid!« von sich. Wenn das so weitergeht, werden wir David Dressler am Ende ein Band mit hübschem weißen Rauschen präsentieren.
»Leute, ehrlich!«, rufe ich noch einmal. »Wir müssen uns jetzt mal etwas Konkretes überlegen!«
»Hab ich doch!«, bringt Jenny schwer atmend hervor und dreht die nächste Pirouette.
»
Fame
ist scheiße und was für Schwule!«, kommentiert Oliver zum wiederholten Mal. »Da mache ich nicht mit.«
»Ich auch nicht«, pflichtet Robert ihm bei; die zwei geben sich in der Luft ein klatschendes High Five.
»Okay«, fange ich noch mal an, »aber auf irgendetwas müssen wir uns einigen, uns rennt gerade die Zeit davon.«
»Was schlägt denn Fräulein Cheforganisatorin vor?«, erklingt Tobias’ Stimme hinter dem Vorhang.
»Als Erstes schlage ich vor, dass ihr zwei mal aus eurer Kuschelecke kommt und hier mitarbeitet«, fahre ich ihn an. Mein autoritärer Ton scheint zu wirken; zehn Sekunden später kommt unser Liebespaar händchenhaltend aus seinem Versteck hervor und gesellt sich zu uns.
»Danke«, sage ich zu den beiden. »Ohne hier bossy sein zu wollen«, fahre ich dann fort und ignoriere dabei geflissentlich, dass mein lieber Kollege Oliver die Augen verdreht, »würde ich vorschlagen, dass wir jetzt mal Pause machen.
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