Wunschkonzert: Roman (German Edition)
halte sie unten mit aller Kraft fest, damit sie nicht wieder wegrutscht. Verdammt, wieso kaufe ich eigentlich diese ganzen Fitness-Ratgeber und -DVDs, wenn ich sie dann doch nur ins Regal stelle? Vermutlich, weil ich nie auf die Idee gekommen bin, dass ich mal mitten in der Nacht einen offenbar komplett durchgeknallten Kollegen retten muss …
Die Beine meines Junior A&R-Managers zittern merklich, als er sich Stück für Stück und langsam seinen Weg nach unten bahnt. Er hat schon fast den Erdboden erreicht, als er plötzlich einen erschrockenen Schrei von sich gibt und anfängt, mit beiden Armen zu rudern. Ehe ich verstehe, was nun schon wieder los ist, sehe ich, wie Tobias jeglichen Halt verliert und wie ein Stein auf mich zufällt. Ich will noch schnell zur Seite springen, aber es ist zu spät.
»Aaaaah!« Ich jaule laut auf vor Schmerz, als Tobi eine Sekunde später direkt auf mir landet und wir miteinander zu Boden gehen. Dabei knalle ich mit dem Hinterkopf ungeschützt auf den harten Lehmboden, Tobias’ linker Ellbogen rammt sich in meinen Bauch, und für eine Sekunde bekomme ich kaum noch Luft. »Hmpf«, stöhne ich.
»Autsch!«, brüllt auch Tobias, ich höre ein leises Knacken und befürchte, dass er sich bei dem Sturz etwas gebrochen hat. So liegen wir einfach nur da, auf dem Boden neben dem Baum, Tobias mit seiner vollen Körperlast auf mir, beide schwer atmend. Mein Kopf, meine Rippen und mein Bauch tun mir höllisch weh. Vielleicht kann ich nie wieder aufstehen und muss nun für immer in dieser unwürdigen Position verharren? Die anderen werden Tobias und mich morgen früh finden, Senior und Junior A&R wie zwei Verzweifelte ineinander verkeilt, ich dazu noch im Pyjama, wie peinlich!
Vorsichtig drehe ich den Kopf nach links, zum einen, um zu überprüfen, ob ich mir das Genick gebrochen habe, zum anderen, um hoch zu den Zimmerfenstern zu linsen, ob irgendwo Licht angeht, weil uns einer der Kollegen gehört hat. Aber es bleibt dunkel, offenbar ist niemand Zeuge der dramatischen Ereignisse geworden. Selbst bei Natascha rührt sich nichts, obwohl sich alles direkt neben ihrem Zimmer abgespielt hat. Das Mädchen scheint tatsächlich einen todesähnlichen Schlaf zu haben. Mein Kollege erwacht stöhnend zum Leben, rollt sich vorsichtig von mir und setzt sich auf. Er streckt mir eine Hand hin, um mir hochzuhelfen, ich ergreife sie und rappele mich mühsam in eine sitzende Position.
»Geht’s einigermaßen?«, will mein Junior A&R zerknirscht wissen. Ich reibe mir mit einer Hand über den schmerzenden Hinterkopf.
»Ja, du Idiot«, blaffe ich ihn an. Aber, immerhin: Ich scheine mir nichts gebrochen zu haben und werde wohl mit ein paar blauen Flecken davonkommen. »Und bei dir?«
»Ich glaube, ich habe mir den rechten Fuß ein bisschen verknackst, aber sonst fühlt sich alles gut an. Also Glück gehabt.«
»Das kann man wohl sagen. Du hättest dich gerade fast umgebracht.«
»Weiß ich.« Er lächelt mich schief an. »Danke, dass du mich gerettet hast.«
»Kein Problem, ich fische gerne mal Kollegen aus Bäumen«, werfe ich ihm ironisch an den Kopf. »Was hast du da oben überhaupt gemacht? Warum bist du nicht in deinem Bett? Was soll das alles?«
»Na ja«, selbst in der Dunkelheit bemerke ich, wie Tobias rot anläuft. »Ich wollte zu Natascha, die hat ja das Zimmer direkt neben deinem.«
»Von draußen?« Ich schüttele ungläubig den Kopf. »Du wolltest bei ihr fensterln?« Tobi wird noch ein bisschen roter.
»Äh, ja«, gibt er zu.
»Und wie kommst du auf so einen Unsinn?«
»Ich habe heute Nachmittag hinterm Haupthaus die Leiter entdeckt, da kam mir die Idee. Ich habe gewartet, bis alle schliefen, sie geholt und gegen die Hauswand gelehnt. Dann bin ich hochgeklettert, aber plötzlich habe ich irgendwie das Gleichgewicht verloren und bin umgefallen. Gott sei Dank stand da dieser Baum!«
»Du bist doch wohl echt bescheuert!«, stelle ich fest. »Warum bist du nicht einfach durch den Flur in Nataschas Zimmer gegangen, so wie das jeder normale Mensch auch macht?« Tobi zuckt mit den Schultern.
»Ich fand das mit dem Fensterln irgendwie romantisch.«
»Das ist nicht romantisch«, erkläre ich ihm, »das ist total beknackt. Und gefährlich ist es auch noch, wie du ja gesehen hast. Wieso bist du nur so unvernünftig?«
»Vernünftig kann ich noch sein, wenn ich tot bin«, gibt Tobias einigermaßen trotzig zurück. Ich lache auf.
»Na, das hättest du ja eben fast geschafft! Und mich beinahe
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