Wunschkonzert: Roman (German Edition)
jetzt alle unsere Jobs los!«, rufe ich entsetzt. Die anderen nicken zustimmend.
»Keine Panik!«, sagt Lutz. »Ich habe vom Geschäftsführer David Dressler die Zusage, dass es vorerst keine Entlassungen geben wird.«
»Vorerst?
Pfff!
«, kommt es von Tobias, der gerade ziemlich blass um die Nase ist. Kein Wunder, er ist noch mitten in der Probezeit und hat sich noch nicht durch ein sonderlich gutes Händchen hervorgetan. Okay, bisher hat er immer mir zugearbeitet, aber wenn er auf die Abschussliste kommt, werde ich ihn wohl auch nicht retten können.
»Nein, so meine ich das nicht«, erklärt unser Boss beschwichtigend. »David Dressler hat mir in die Hand versprochen, dass er alles tun wird, um sämtliche Jobs zu erhalten. Immerhin wird sein Label ja nun doppelt so groß wie vorher, demnach ist dann auch doppelt so viel zu tun.«
»Ach, komm schon!«, wirft Oliver in spöttischem Tonfall ein. »Das wäre ja ganz was Neues, dass eine Firma nach dem Verkauf nicht erst einmal gesundgeschrumpft wird!«
»Wie gesagt«, schlägt Lutz wieder einen strengen Tonfall an, »er hat es mir versprochen, mehr kann ich da auch nicht tun.«
Ein unwilliges Murren geht durch die Reihen. Und ich kann nur noch einen einzigen Gedanken fassen
: Senior A&R-Manager. World Music hat auch einen Senior A&R-Manager!
Martin Stichler, den kenne ich sogar. Zwar nur flüchtig von Veranstaltungen, weil ich ihm lieber aus dem Weg gehe, aber die Branche ist zu klein, als dass man sich nicht immer wieder über den Weg laufen würde. Er ist Mitte dreißig und ziemlich von sich überzeugt, sowohl beruflich als auch privat. Mit anderen Worten: ein Großkotz, der sich nicht nur für den Hohepriester der Musikindustrie hält, sondern auch noch für Gottes Geschenk an die Frauen. Ich habe schon öfter beobachtet, wie er selbstgefällig um alles herumscharwenzelt, was weiblich und gutaussehend ist. Und das, obwohl er dabei stets auch noch eine andere Dame am Strick hatte. Okay, er ist wirklich attraktiv, bestimmt einen Meter neunzig groß, durchtrainiert, hat blonde Haare und sehr blaue Augen. Aber, wie meine Freundin Miriam mal feststellte, als ich ihn ihr auf einem Konzert gezeigt habe: »Sieht zwar echt nett aus, aber das ist doch noch lange kein Typ, nach dessen Anblick ich künstlich beatmet werden muss.«
Tja, ganz im Gegensatz zu mir, denn ich habe schon das Gefühl, dass ich gleich eine Extraportion Sauerstoff brauche – ich stehe kurz vorm
Hyperventilieren!
Denn egal, was David Dressler Lutz versprochen hat – ich kann mir nicht vorstellen, dass er für ein Label der Größe, die bei dem Zusammenschluss von Elb Records und World Music herauskommen wird,
zwei
Senior A&R-Manager braucht. Was mich zu folgenden Rückschlüssen bringt: Entweder ich werde schon bald zum normalen A&R degradiert – oder ich kann gleich ganz meine Sachen packen. Allein bei dem Gedanken daran wird mir schlecht, das ist der absolute SUPER GAU !
Schnell, ich muss mich betrinken!
»Wie gesagt«, dringt die Stimme von Lutz nun wieder an mein Ohr, »ihr müsst diese Information unbedingt für euch behalten, da darf noch nichts durchsickern. In den nächsten zwei Wochen wird sich dann klären, wie das alles geregelt wird.«
»Müssen wir mit unseren Büros umziehen?«, will Silke wissen. Lutz zuckt entschuldigend mit den Schultern.
»Das weiß ich noch nicht«, antwortet er. »Ich habe ja erst gestern Abend den Vorvertrag unterschrieben. David Dressler wird am Freitag hierherkommen und die weiteren Schritte erläutern.«
»Sind wir World Music dann untergeordnet?«, stellt Tobias die nächste Frage.
»Nein«, sagt unser Boss beziehungsweise unser zukünftiger Ex-Boss, »soweit er mir erklärt hat, werden beide Labels gleichberechtigt zusammengelegt und in Zukunft World Records heißen. David Dressler wird euch am Freitag persönlich erzählen, wie genau er sich das vorstellt. Wichtig wäre bis dahin nur eins: Bis auf weiteres machen wir mit Elb Records keine neuen Abschlüsse. Keine Künstlerverträge, keine Bandübernahmeverträge.« Sein Blick geht in meine Richtung und wandert dann weiter zu Tobias, weil das ja schließlich unsere Baustelle ist. Ich schlucke schwer, wir sind also jetzt erst einmal kaltgestellt. Dabei hatte ich gehofft, Tim Lievers und seinen Reeperbahnjungs bereits am Freitag einen Künstlervertrag anbieten zu können!
Im Gegensatz zum Bandübernahmevertrag, bei dem der Musiker eine fertig produzierte CD abliefert, die das Label dann so
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