Wunschkonzert: Roman (German Edition)
machen.
Die letzten Takte von
I Gotta Feeling
verklingen, unser DJ fadet zu einer langsameren Nummer. Sehr gut, denn wenn wir hier alle nonstop durchrocken, kippen die Ersten sicher bald aus den Latschen … Ich muss gar nicht erst lange hinhören, um den Song zu erkennen – und bin mehr als überrascht. Denn was da aus den Lautsprechern rieselt, ist ein sehr unbekanntes Lied. Und gleichzeitig einer meiner Lieblingssongs.
Flesh and Blood
von Wilson Phillips, das davon handelt, wie eine Tochter ihren abwesenden Vater darum bittet, dass sie sich wieder versöhnen. Ich erstarre in meinen Tanzbewegungen. Das kann kein Zufall sein! Genau dieses Lied habe ich mit Sicherheit schon zehntausendmal gehört und tue es bis heute noch oft, obwohl es wirklich nie im Radio kommt …
Kuschelmucke,
fällt es mir in diesem Moment ein. Natürlich, der Song ist auch auf der Playlist in meinem Smartphone!
How can we be like enemies
when we’re only flesh and blood?
What does it take to make your heart bleed,
Daddy aren’t we enough?
You can get through
there’s nothing stopping you from getting to us
No one can take away the fact that we’re only
flesh and blood
Als ich den Song das erste Mal hörte, war ich gerade mal zwölf – und auf Anhieb komplett elektrisiert. Denn da sang jemand genau das, was ich selbst so oft über meinen Vater gedacht habe.
Fleisch und Blut
– mehr als einmal lag ich nachts wach und fragte mich, warum er meine Mutter und mich denn nicht genug vermisst, um zu uns zurückzukommen. Wieder und wieder habe ich das Lied gehört, heimlich nur, damit Mama es nicht mitbekommt, denn darüber wäre sie mit Sicherheit traurig gewesen. Manchmal habe ich mir vorgestellt, Papa zu suchen, zu ihm zu fahren, um ihn zu fragen, weshalb er uns verlassen hat. Getan habe ich es nie, natürlich nicht, denn es hätte ja rein gar nichts gebracht. Und es hätte Mama verletzt.
Ich hänge noch meinen Gedanken nach, als Martin plötzlich vor mir steht. »Willst du tanzen?«, fragt er. Ich nicke. Er legt beide Arme um mich, und wir fangen an, uns miteinander im Rhythmus hin- und herzuwiegen. Ich muss mich schwer zusammenreißen, damit mir nicht die Tränen kommen, dieser Song löst bei mir von jetzt auf gleich eine Form der Rührung aus, wie ich sie sonst nicht kenne.
Oh, part of me wants to call you up,
just talk to you like a friend
There’s a part of me that wants to shut you out
And never see your face again.
Es fühlt sich an, als wäre ich in einer Parallelwelt gelandet, als ich in Martins Armen über die Lichtung tanze. Die anderen Kollegen haben einen Kreis um uns gebildet und sehen uns zu, was mir in diesem Augenblick aber nicht einmal peinlich, sondern mehr oder weniger egal ist. Es ist ein eigenartiges Gefühl, dieser Song, der mir so wichtig ist, Martin, die gesamte Situation … Langsam steigen mir nun doch die Tränen in die Augen, aber selbst das macht mir nichts. Es ist, als würden alle Emotionen, die ich doch sonst immer so gut im Griff habe, wie eine riesige Welle über mir zusammenschwappen. Und es ist schön. Verdammt schön!
»Woher wusstest du das?«, flüstere ich Martin ins Ohr, während wir immer noch tanzen. »Also, dass dieses Lied so wichtig für mich ist?«
»Du hast es heute Nacht im Halbschlaf mitgesummt«, erklärt er. »Das klang unheimlich schön und voller Gefühl, und da dachte ich, ich würde dir eine Freude machen, wenn der DJ den Song spielt.«
»Danke«, murmele ich, »das war sehr lieb von dir.« Der Song hört auf, wir bleiben stehen, Martin löst sich von mir und blickt mich nachdenklich an.
»Bedank dich nicht«, meint er. »Sei nur einfach jetzt gleich nicht zu angepisst und nimm das Lied als eine vorweggenommene Entschuldigung.«
»Angepisst?«, echoe ich und begreife gerade gar nichts mehr. »Wieso sollte ich denn das sein?« Statt mir zu antworten, dreht Martin sich um, geht rüber zum DJ und lässt sich von ihm ein Mikrofon geben.
»So, Leute«, ruft er mir und meinen Kollegen zu, »nachdem es jetzt gerade ein bisschen kuscheliger war, kommen wir nun also zu meiner Überraschung.« Ein Schauder läuft mir über den Rücken. Hat das etwas damit zu tun, was Martin gerade gesagt hat? »Und zwar ist es mir gelungen, kurzfristig und exklusiv einen neuen Act, den ich gerade gesignt habe, dazu zu bringen, hier für euch zu performen.«
Neuer Act,
schießt es mir durch den Kopf,
gesignt?
Also unter Vertrag genommen? Wen? Wieso? Wie das?
Doch bevor ich noch
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