Wunschkonzert: Roman (German Edition)
hinterhältig grinsend hinzu: »Wobei Schwarzhaarige auch nicht schlecht sein sollen.«
Bah! Der Typ ist
echt
eklig. Gleichzeitig bemerke ich den verstohlenen Blick, den Tim meinem lieben Kollegen kurz zuwirft. Oha! So böse hat er gestern mich angesehen, Martins Anspielung scheint ihm ganz und gar nicht zu gefallen.
Die nächsten Kollegen lesen ihre Texte vor. Wir müssen noch ein paar Mal lachen und ein paar Mal seufzen. Schließlich bin ich an der Reihe und stehe auf.
»Okay«, sage ich und räuspere mich. »Liebe Unbekannte oder lieber Unbekannter, ich wünsche dir Glück, Gesundheit und ein langes Leben.« Ich lasse die Karte sinken. Erst in dem Moment, in dem ich meinen Text vorgelesen habe, fällt mir selbst auf, wie banal und blöd das klingt. Auch meine Kollegen sehen mich etwas ratlos an, und wie bei Martins Ausrutscher bleibt der Applaus der Gruppe aus.
»Schön, Stella!«, meldet sich David zu Wort. Aber mir ist klar, dass ihn mein Wunsch jetzt nicht wirklich umgehauen haben wird, so ein belangloser Mist steht auf jeder drittklassigen Glückwunschkarte aus dem Supermarkt. Ich sehe, dass Tim mir einen enttäuschten Blick zuwirft, und es versetzt mir einen kleinen Stich.
Glück, Gesundheit und ein langes Leben sind doch nicht zu verachten, ganz und gar nicht,
tröste ich mich selbst, während ich mir einen der Ballons hole und mein Kärtchen auf Reisen schicke. Während ich ihm nachblicke, ärgere ich mich ein bisschen, dass mir nichts Besseres eingefallen ist. So etwas Schönes wie Hilde zum Beispiel, aber ich war innerlich schon wieder so verkrampft und nervös, dass es zu mehr schlicht nicht gereicht hat.
»Dann sind wir mal auf die Rückläufe gespannt«, sagt David, nachdem auch der Letzte von uns seinen Ballon hat fliegen lassen. »Ich drücke euch die Daumen, dass möglichst viele von euch eine Antwort mit schönen Wünschen erhalten. Jetzt hat jeder eine Stunde für sich, dann gibt’s Mittagessen, und heute Nachmittag will ich mit euch zur Auflockerung eine Runde Völkerball spielen.« Die Gruppe löst sich auf. Ich marschiere Richtung Wald, weil ich mir bis zum Essen ein bisschen die Beine vertreten und nachdenken will. Zum Beispiel darüber, wie es mir gelingen kann, einen Blick in Davids Buch zu werfen, in das er sich auch bei der Luftballonübung wieder Notizen gemacht hat.
Zwanzig Minuten schlendere ich ziellos durch die Gegend und lasse meinen Gedanken freien Lauf. Dabei grübele ich auch über Tim. Er hat mich angelächelt, und die Tatsache, dass er Martin bei seinem blöden Spruch so böse angeguckt hat, spricht irgendwie auch dafür, dass er nicht mehr ganz so sauer auf mich ist. Ob Hilde recht hat? Wird sein Ärger mit der Zeit verrauchen? Vielleicht macht es Sinn, dass ich später doch noch einmal mit ihm rede.
Seufzend kehre ich um und spaziere langsam Richtung Haus zurück, nicht, dass ich mich hier noch verlaufe. Nach einer Weile kann ich durch die Bäume die Umrisse der Herberge erkennen, ich bin scheinbar einen Bogen gelaufen, denn ich komme wieder an der Rückseite raus. Unter meinen Füßen knacken die Äste, der leicht moderige Geruch von feuchtem Boden und Pilzen steigt mir in die Nase. Aber das ist nicht unangenehm, irgendwie beruhigt es mich sogar. Als ich noch klein war, ist Papa mit mir oft raus in den Wald und »in die Pilze« gegangen, wie er es nannte. Dann haben wir zusammen gesammelt und sie abends mit Mama gekocht und gegessen. Seufzend betrachte ich den Boden. Tatsächlich entdecke ich neben einem großen Stück Moos eine Ansammlung von Steinpilzen. Ich bücke mich, um sie zu pflücken – und fahre einen Moment später erschrocken hoch, denn ich habe etwas gehört. Jemand hat »Stella« gesagt. Ich kneife die Augen zusammen und sehe rüber zum Haus. Und dann erkenne ich sie: Auf der Bank an der Rückseite des Gebäudes, auf der ich gestern Abend noch mit Tim gesessen habe, hocken Martin – und Tim. Ganz offensichtlich reden sie über mich. Interessant! So leise wie möglich, darauf achtend, dass die Zweige unter mir nicht so laut knacken, pirsche ich mich an die zwei heran. Das möchte ich doch mal genauer wissen!
17. Kapitel
I ch finde, Stella ist einfach total verspannt«, sagt Martin, als ich in Hörweite der beiden bin. Tatsächlich, die reden über mich! »Du weißt es doch selbst, Tim, in unserem Job muss man in der Lage sein, locker zu bleiben.« Er verstellt die Stimme und äfft mich nach. »
Ich wünsche Ihnen Glück, Gesundheit und ein
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