Wunschkonzert: Roman (German Edition)
überzieht sich mein kompletter Körper mit Gänsehaut: Das ist hier gerade der absolute Alptraum! Vom Chef beim Schnüffeln erwischt zu werden, ist schon schlimm genug – aber wenn er wüsste, dass ich gerade unter seinem Bett liege, während er mit Mareike …
Überhaupt: David und Mareike? Davon habe ich nicht das Geringste gemerkt, die beiden haben ja nicht einmal sonderlich viel miteinander geredet. Wieder stößt die Matratze gegen meinen Kopf, ich rutsche noch ein Stück zur Seite.
Bitte,
sende ich ein Stoßgebet zum lieben Gott,
lass es bei den beiden nicht zum Äußersten kommen! Bitte, sonst weiß ich echt nicht, was ich tun soll! Und … und … die zwei sind nicht verheiratet! Komm schon, Gott, das kann doch auch nicht in
deinem
Interesse sein!
Ja, sicher, das ist altmodisch – aber gerade jetzt fände ich es eigentlich ganz gut, wenn wir alle wieder ein bisschen altmodischer wären. Das hätte mich auch vor Martin und den katastrophalen Folgen bewahrt!
Über mir quietscht und schaukelt die Matratze, die Knutscherei scheint heftiger zu werden. Für den Bruchteil einer Sekunde überlege ich, ob die beiden vielleicht so sehr miteinander beschäftigt sind, dass ich unbemerkt unterm Bett hervorkrabbeln und verschwinden kann. Aber nein, so etwas funktioniert auch wieder nur im Film. Doch ehe ich noch weiter darüber nachdenken kann, hören David und Mareike auf, sich zu küssen, und fangen stattdessen an, miteinander zu reden.
»Ein komisches Gefühl«, sagt meine Kollegin.
»Was meinst du?«, will David wissen.
»Mit meinem neuen Chef zu knutschen.«
»Was ist daran komisch?«
»Eben dass du mein Boss bist.« David lacht.
»Aber ich bin auch ein Mann.«
»Ja, bist du. Nur …« Sie kommt ins Stocken.
»Was, nur?«
»Ich bin ja immerhin schon Mitte vierzig und nicht mehr Anfang zwanzig.«
»Und was heißt das?«
Mareike zögert einen Moment. »Ich dachte, die Phase, in der man heimlich im Zimmer einer Jugendherberge rumknutscht, hätte ich längst hinter mir.«
»So was hat man
nie
hinter sich«, erwidert David, und er klingt dabei sehr zärtlich und liebevoll. »Glücklicherweise.«
»Trotzdem«, sagt Mareike, »was die anderen wohl denken würden, wenn sie es wüssten.«
»Dass wir uns mögen, das würden sie denken.«
»Oder dass ich mir den Boss geangelt habe, weil das für mich von Vorteil sein kann«, seufzt Mareike. »Oder dass du es ausnutzt, dass ich von dir abhängig bin.« Ich nicke gedankenverloren, denn genau das habe ich gerade auch gedacht. Gleichzeitig kommt mir wieder Tim in den Sinn, denn die Befürchtung, dass er vor allem an meiner Position interessiert war, habe ich ja eben erst bestätigt bekommen.
»Unsinn!« Ich höre das Schmatzen eines Küsschens. »Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt.« Noch mehr Kussgeräusche, wieder wackelt die Matratze. Am liebsten würde ich mir die Ohren zuhalten, aber ich liege so eingeklemmt unter diesem verdammten Bett, dass ich meine Arme nicht heben kann. Ein paar Minuten geht das so weiter, dann hören sie wieder auf.
»Trotzdem«, sagt Mareike im Flüsterton, »möchte ich nicht, dass die anderen es erfahren. Noch nicht, wir wissen ja nicht, was daraus wird.«
»Keine Sorge, meine Süße. Ich werde niemandem etwas sagen, solange du es nicht willst.« Mareike seufzt, dann erklingt wieder ein Schmatzen.
»Du bist unglaublich toll!«, sagt er.
»Und du erst!« O Mann, die raspeln ja ganz schön Süßholz. Ich spüre einen Hauch von Eifersucht in mir aufsteigen. Nicht weil ich auf David Dressler scharf bin, das überhaupt nicht – aber weil ich im Gegensatz zu Mareike ja erst vor wenigen Minuten eine emotionale Klatsche bekommen habe. Und was für eine!
»Komm«, erklingt wieder die Stimme von David. »Gehen wir runter, sonst kriegen wir nichts mehr zu essen.«
»Okay. Aber lass mich vorgehen und warte einen Augenblick, damit wir nicht zusammen im Speisesaal auftauchen.« David lacht.
»Und ich sag dir noch einmal: Niemand wird sich dabei etwas denken! Aber ich warte natürlich, wenn es dir so wichtig ist.«
Ich sehe Mareikes Ballerinas durch die Tür verschwinden, wenige Minuten später erhebt sich auch David vom Bett, und ich muss mich zusammenreißen, um nicht vor Erleichterung laut aufzuseufzen. Seine Füße bewegen sich weg von mir – doch dann drehen sie sich plötzlich wieder zu mir um. Ich halte die Luft an, als mein Chef ein paar Schritte zurück Richtung Bett geht und quasi direkt vor meiner
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