Wunschkonzert: Roman (German Edition)
langes Leben
– das hätte meine Oma vermutlich auch gesagt. Es ist wirklich erstaunlich, dass Stella es mit ihrem Stock im Arsch überhaupt so weit geschafft hat.«
Ich könnte augenblicklich aus der Haut fahren vor Wut. Aber das geht nicht, ohne entdeckt zu werden. Gespannt halte ich den Atem an, was wird Tim auf Martins Unverschämtheit antworten? Wird er mich verteidigen?
»Ja, sie scheint wirklich ein bisschen kompliziert zu sein.«
Okay. Keine Verteidigung.
»Ein
bisschen
kompliziert?«, gibt Martin zurück.
»Oder auch ein bisschen sehr. Die Jungs waren am Ende jedenfalls schon richtig genervt und fanden, dass wir uns bei einem anderen Label bewerben sollen, weil Stella nicht aus dem Knick kommt.«
»Da haben wir ja Glück gehabt, dass du mich angerufen hast.« Er schlägt Tim mit der flachen Hand auf einen Oberschenkel. »Alter, das wird so ein geiles Album, das wir da zusammen machen!«
»Das hoffe ich, wir haben ja lange genug darauf gewartet, dass es endlich klappt.«
»Verlass dich mal ganz auf mich, das wird ein Knaller!«
»Stella hat ja immer gemeint, wir brauchen noch ein bisschen mehr Zeit.«
»Ach, die hat doch keine Ahnung. Ich meine, du hast doch gesehen, wie David auf eure Musik reagiert hat. Schön blöd von ihr, damit so lange hinterm Berg zu halten.«
»Hm, ja, das hat mich auch geärgert.«
»Glaub mir, dir und den Jungs konnte nichts Besseres passieren, als von mir entdeckt zu werden.«
»Entdeckt hat uns genau genommen Stella«, widerspricht Tim, und mein Herz macht vor Freude einen kleinen Hüpfer.
Genau!
Ich habe sie entdeckt!
»Aber sie hat im Gegensatz zu mir nichts daraus gemacht, erst durch mich ist die Sache konkret geworden. Und mir musstest du nicht mal«, ich kann förmlich hören, wie Martin wieder grinst, »die ganze Zeit den Hof machen, damit es mit dem Vertrag was wird, wie? War da eigentlich noch mehr als nur die Knutscherei im Atlantic?«
Ich erstarre innerlich – denn Martin spricht damit etwas an, über das ich ja auch schon nachgedacht habe.
»Den Hof machen?«, wiederholt Tim. »Das sagt jetzt nicht mal mehr meine Oma …«
»Ist ja auch egal«, erwidert Martin leicht irritiert. »Aber hast du sie jetzt geknallt oder nicht?« Er lacht auf. »Du weißt schon, dann wären wir Lochschwäger und so.«
O Gott, ich muss gleich kotzen!
Mein Kollege ist einfach so widerlich, bäh!
»
Das
geht dich nichts an«, gibt Tim zurück und klingt dabei ziemlich angespannt. Nahezu aggressiv. In mir regt sich wie ein kleiner, flatternder Schmetterling die Hoffnung.
»Oh, Verzeihung!«, kommt es ironisch von Martin. »Wollte dir nicht zu nahe treten. Bist wohl ein bisschen verschossen in sie, was? Keine Sorge, ich will nichts von ihr, das mit uns war nur eine einmalige Sache, du kannst es gerne bei ihr versuchen.«
»Nein, ich bin nicht in Stella verliebt«, erwidert Tim. »Ich hatte ein berufliches Interesse an ihr, das war alles. Aber nun arbeiten wir mit dir zusammen, damit ist das Thema vom Tisch.« Er steht auf.
»Ist auch besser so«, meint mein Kollege. »Glaub mir, die ist eh auf dem absteigenden Ast und wird sich nicht mehr lange bei World Records halten.«
»Hat euer Boss das gesagt?«
»Sagen wir mal so, sie hat im letzten Jahr ein paar Fehlentscheidungen getroffen, und ich weiß, dass ihr alter Chef mit David darüber gesprochen hat. Außerdem kenne ich ihn schon eine Weile. Stella wird mit Sicherheit bald fliegen.«
»Tja.« Tim zuckt mit den Schultern. »Dann umso besser, dass wir das Album mit dir machen. Und jetzt gehe ich etwas essen.«
»Warte, ich komme mit.«
»Nee, lass mal. Mir gehen gerade ein paar Songideen durch den Kopf, die muss ich erst einmal sortieren.« Mit diesen Worten marschiert er davon; eine Minute später steht auch Martin auf und verschwindet hinterm Haus.
Ich bleibe bewegungsunfähig und starr auf der Stelle stehen. Mein Herz rast, meine Hände sind feucht, und ich habe ein Rauschen in den Ohren. Das waren gerade ein bisschen viele Informationen für mich. Und ich weiß gar nicht, was mich mehr umhaut: Die Tatsache, dass Tim es offenbar wirklich nur auf den Vertrag abgesehen hatte – oder dass ich bei David Dressler auf der Abschussliste stehe.
Ich atme schwer ein und aus, während ich fieberhaft überlege, was ich nun tun soll. Martin erschlagen? Tim verprügeln? David Dressler um die Ecke bringen?
Nein, alles keine guten Ideen.
Mir steigen die Tränen in die Augen, ob vor Wut oder Traurigkeit kann ich nicht
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