Wunschkonzert: Roman (German Edition)
einmal genau sagen. Sind denn die Männer wirklich alle solche Arschlöcher, wie meine Mutter immer sagt? In diesem Moment glaube ich das fast. Ja, ich habe Tim angelogen und enttäuscht – aber nach dem, was ich hier gerade hören musste, kann ich fast froh darüber sein! Und was ist mit David? Führt er tatsächlich darüber Buch, wen von uns er als Erstes abserviert? Steckt hinter der netten und freundlichen Fassade, hinter dem Gelaber über »Wir müssen ein Team sein« und »Positive Energie« in Wahrheit doch nur ein skrupelloser Geschäftsmann, der, zurück in Hamburg, schneller ein paar Leute rausschmeißen wird, als die Fantastischen Vier rappen können?
Mit einem Mal schwappt eine Welle wütender Energie durch mich hindurch, und ich löse mich aus meiner Starre. Mit energischen Schritten stapfe ich auf die Herberge zu. Zumindest das Berufliche werde ich klären, und zwar jetzt sofort! Und wenn Tim Lievers Glück hat, läuft er mir auf meinem Weg zu David Dressler nicht vor die Füße!
Zurück in unserer Unterkunft, steuere ich schnurstracks den Speisesaal an, reiße die Tür auf und gehe hinein. Offenbar habe ich sie mit einem solchen Ruck geöffnet, dass mich die Kollegen, die bereits zum Mittagessen da sind, überrascht angucken. Ich lasse meinen Blick durch den Raum wandern – an Martin und Tim, die an verschiedenen Tischen sitzen, sehe ich demonstrativ vorbei. Kein David Dressler in Sicht. Ich stratze wieder nach draußen in den Flur, knalle die Tür hinter mir zu und mache mich auf den Weg zu den Wohnräumen. Vielleicht habe ich Glück, und er ist in seinem Zimmer. Würde mir eh besser passen, dann kriegen die anderen nichts davon mit, dass ich mit ihm sprechen will. Davids Zimmer liegt für sich allein in einem anderen Flur, außer ihm wird mir auf dem Weg also vermutlich niemand begegnen.
»David?«, rufe ich, als ich vor seiner Tür am Ende des Korridors stehe und klopfe. Keine Antwort. Ich klopfe noch einmal, aber nichts regt sich. Einen Moment zögere ich, dann drücke ich die Klinke hinunter und stecke meinen Kopf in sein Zimmer. Es ist leer, David ist nicht da.
Ich will die Tür schon wieder schließen, als mein Blick auf etwas fällt. Das Buch! Das schwarze Buch! Es liegt auf dem Nachttisch neben seinem Bett, keine zwei Meter von mir entfernt. Ohne Zögern husche ich ins Zimmer und schließe die Tür hinter mir. So eine Chance bekomme ich so schnell nicht wieder! Mit klopfendem Herzen schnappe ich mir das Buch und will es mit fahrigen Händen aufklappen …
Ein Geräusch lässt mich zusammenzucken. Jemand kommt gerade durch den Korridor auf das Zimmer zu, ich kann den alten Linoleumboden quietschen hören. Jemand? Quatsch, das wird David sein! In Panik lasse ich das Buch zurück auf den Nachttisch und mich selbst auf den Boden fallen. Wie von Furien gejagt, krabbele ich unters Bett, keine Sekunde zu früh, denn als ich den Kopf zur Tür drehe, sehe ich die Schuhe meines Chefs, der gerade in sein Zimmer tritt.
Mist! So ein verdammter Mist! Wenn er mich hier entdeckt, wie ich bei ihm rumschnüffele, kann ich mit Sicherheit gleich meine Koffer packen. Warum bin ich dieses Risiko eingegangen? Ich wollte ihn doch nur zur Rede stellen und ihn direkt fragen, ob es stimmt, was Martin gesagt hat. Weshalb konnte ich der Versuchung nicht widerstehen?
»Komm rein«, erklingt Davids Stimme. Ich horche auf, mein Chef ist also nicht allein.
»Sehr gerne«, höre ich eine Frau sagen. Wer ist das? Mareike? Als Nächstes erscheint ein Paar Ballerinas in meinem Sichtfeld. Die kenne ich, denn ich habe fast die gleichen. Und diese Schuhe gehören tatsächlich unserer Pressefrau. Sowohl Davids als auch Mareikes Füße kommen näher auf mich zu, ich halte den Atem an und versuche, meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Bitte, bitte, bitte, die zwei dürfen mich hier nicht finden! In meinem Hirn arbeitet es auf Hochtouren, was mache ich denn jetzt, was soll ich bloß machen?
Gleichzeitig schießt mir ein anderer Gedanke durch den Kopf: Was in aller Welt hat David mit Mareike in seinem Zimmer zu besprechen?
Eine Sekunde später erfahre ich es: Sie haben
nichts
zu besprechen. Sie lassen sich zusammen aufs Bett plumpsen, dass es laut quietscht und ich die Matratze mitten ins Gesicht gedrückt bekomme. Mit knapper Not kann ich ein Aufstöhnen verhindern und schiebe meinen Kopf zur Seite an eine Stelle, an der das Bett nicht durchhängt. Von oben erklingen eindeutige Kussgeräusche. Sofort
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