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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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recht erinnere, Französisch.«
     
    Er fuhr sie ins Westend und versuchte, nicht daran zu denken, daß sie heute abend irgendwo an einer Pyjama-Party teilnehmen würde. Party? Orgie wohl eher. Was ihm so alles entging …
    In einer Straße in Mayfair hielt er an, um sie aussteigen zu lassen. Sie bedankte sich, ein wenig traurig, daß sie ihn nicht näher kennengelernt hatte. In einer spontanen Regung wandte sie sich ihm zu und küßte ihn mit geöffneten Lippen auf den Mund. Er sah ihr nach, die Seidenpyjamahosen schauten unter ihrem Pelzmantel hervor. Der Tag hatte für ihn viele schlimme Momente gebracht, aber der Augenblick jetzt, wie er da so in seinem Lancia saß und sich den grell orangefarbenen Lippenstift abwischte, war der schlimmste von allen.
     
    Morse fuhr gleich weiter nach Soho und parkte seinen Wagen im absoluten Halteverbot unmittelbar vor den Türen des Penthouse . Es war neun Uhr. Mit einem schnellen Blick stellte er fest, daß es sich bei dem Mann hinter dem Tisch an der Tür nicht um Maguire handelte. Pech. Aber gemessen an dem, was ihm heute sonst alles widerfahren war, war es eine Kleinigkeit.
    »He, da kannst du ihn aber nicht stehen lassen.«
    »Du weißt offenbar nicht, wen du vor dir hast«, sagte Morse. Ein Cäsar umgeben von seinen Truppen hätte nicht arroganter sein können.
    »Es ist mir scheißegal, wer du bist«, sagte der junge Mann und erhob sich langsam, »es ist verboten …«
    »Ich werde dir sagen, wer ich bin, Freundchen. Mein Name ist M-O-R-S-E. Kapiert? Und wenn jemand kommt und fragt, wem der Wagen gehört, dann sag ihm, es sei meiner. Und wenn er dir nicht glaubt, dann schick ihn zu mir, in Ordnung?« Ohne ihn weiter zu beachten, betrat er den Club.
    »Aber …« Den Rest hörte Morse schon nicht mehr. Vor dem Vorhang saß der zwergenhafte Malteser, und Morse empfand fast so etwas wie Freude, ihn wiederzusehen.
    »Kennst du mich noch?«
    Der Kleine nickte verschüchtert. »Der Herr braucht keine Karte. Der Herr kann gleich durchgehen. Sie mein Gast.« Er verzog das Gesicht zu einem Lächeln. Morse ignorierte die Einladung.
    »Ich will mit dir reden. Mein Wagen steht draußen vor der Tür.« Der Zwerg erhob sich ohne ein Wort des Protests und folgte ihm nach draußen. Sie setzten sich auf die Vordersitze des Lancia.
    »Ich suche Maguire.«
    »Maguire weg. Nix weiß wo.«
    »Seit wann?«
    »Zwei Tag, drei Tag.«
    »War eins der Mädchen hier seine Freundin?«
    »Maguire viele Freundin. Viele Freundin hier, viele Freundin da …«
    »Vor einiger Zeit ist bei euch ein Mädchen mit Maske aufgetreten. War ihr Name Valerie?«
    Der Zwerg glaubte, endlich verstanden zu haben, worum es ging, und wurde fast fröhlich. »Valerie? Nein, nix Valerie. Vera. Oh, Junge, Junge …« Mit der Hand zeichnete er in der Luft ihre aufregenden Formen nach.
    »Ist sie heute hier?«
    »Sie auch weg.«
    »Das hätte ich mir gleich denken können«, murmelte Morse. »Ich nehme an, sie und Maguire sind zusammen abgehauen?«
    Der Zwerg lächelte anzüglich, wobei er zwei Reihen glänzender weißer Zähne enthüllte, und zuckte nur die Achseln. Morse mußte sich zusammennehmen, um ihm nicht mit der Faust ins Gesicht zu schlagen.
    »Bist du mal mit ihr weggewesen, du dreckiger kleiner Bastard?«
    »Manchmal. Vielleicht.« Er zuckte wieder mit den Achseln.
    »Raus«, zischte Morse.
    Er saß ein paar Minuten, ohne sich zu bewegen, und dachte nach. Tiefer herunter als jetzt ging es nicht mehr. Er konnte sich noch gut an sein erstes Gespräch mit Strange über den Fall erinnern, an seinen Widerwillen, sich in dieser verderbten Stadt auf die Suche nach einem jungen Mädchen begeben zu müssen. Und jetzt war er erneut an einem Punkt angelangt, wo er annehmen mußte, daß sie lebte. Was bedeutete, daß er sie suchen mußte. Ungeachtet all seiner Neigung zu exzentrischen Hypothesen und Schlußfolgerungen, besaß er einen sehr genauen Maßstab für Wahrheit und die Richtigkeit logischer Analysen. Und wenn er diesen Maßstab jetzt an die ihm vorliegenden Fakten anlegte, so wußte er ganz klar, daß er sich in allen seinen Annahmen geirrt hatte – von Anfang an.
    Ein junger, eifriger Wachtmeister trat an den Wagen und klopfte energisch gegen die Scheibe. »Ist das Ihr Wagen, Sir?«
    Morse kurbelte die Scheibe herunter und holte müde seinen Ausweis hervor.
    »Oh, tut mir leid, Sir. Ich hatte gedacht …«
    »Das ist schon in Ordnung.«
    »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Sir?«
    »Ich glaube nicht. Ich

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