. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen
alle Leute behindern die Polizei bei ihren Ermittlungen.« Er beugte sich vor. »Der Besitz von Haschisch steht immer noch unter Strafe, das weißt du sehr gut. Wenn ich wollte, könnte ich dich jetzt ohne weiteres aufs nächste Polizeirevier bringen lassen. Aber deswegen bin ich nicht hier, das habe ich dir eben schon gesagt: Von mir aus kannst du dich mit Heroin vollpumpen bis zu den Haarspitzen, das interessiert mich wenig. Vorausgesetzt du machst den Mund auf. Deine Halsstarrigkeit bringt dich nur in Schwierigkeiten, kapierst du das nicht?«
Morse hielt einen Augenblick inne, um ihm Zeit zu geben, darüber nachzudenken, und fuhr dann fort: »Das einzige, was ich von dir wissen will, ist, was du mit Inspector Ainley geredet hast. Und wenn du es mir nicht freiwillig erzählst, dann nehme ich dich mit zum Verhör, und wir beide werden uns so lange miteinander unterhalten, bis du dich anders besonnen hast. Die Entscheidung liegt bei dir.«
Um seinen Worten etwas mehr Nachdruck zu verleihen, nahm Morse seinen Mantel von der Stuhllehne und legte ihn sich über den Arm. Maguire starrte bedrückt vor sich hin und schob unschlüssig eine Ketchupflasche auf dem Tisch hin und her. Er schien mit sich zu kämpfen. Da spielte Morse seine zweite Trumpfkarte aus, er hoffte jedenfalls, daß es eine war.
»Wann hat dir Valerie gesagt, daß sie schwanger ist?« fragte er leise.
Ein Schuß ins Schwarze – und im richtigen Moment. Maguire stellte die Ketchupflasche zur Seite, und Morse packte den Mantel wieder neben sich auf den Stuhl. »Ungefähr drei Wochen vorher.«
»Hat sie es sonst noch jemandem erzählt?«
Maguire zuckte die Achseln. »Sie war so unheimlich sexy – sie hat ’ne Menge Männer gekannt.«
»Wie oft habt ihr miteinander geschlafen?«
»Ein dutzendmal ungefähr.«
»Na, jetzt bleib mal bei der Wahrheit.«
»Drei –, viermal. Ich weiß nicht mehr so genau.«
»Und wo?«
»Bei mir.«
»Wußten deine Eltern davon?«
»Nein, die waren weg – zur Arbeit.«
»Und hat sie behauptet, du seist der Vater?«
»Nein, das konnte sie ja schlecht, hätte sie aber auch sonst nicht gemacht. Sie hat nur gesagt, daß ich der Vater sein könnte .«
»Bist du nicht ziemlich eifersüchtig gewesen?« Maguire schwieg, aber Morse war fest davon überzeugt, daß er recht hatte. »Hat es sie sehr mitgenommen zu wissen, daß sie ein Kind erwartete?«
»Schiß hat sie gehabt.«
»Wovor? Vor dem Gerede?«
»Nein, das nicht so sehr, aber vor ihrer Mutter.«
»Nicht vor ihrem Vater?«
»Von dem hat sie nichts gesagt.«
»Hat sie davon gesprochen wegzulaufen?«
»Nein.«
»Aber falls sie so etwas vorgehabt hat – wen könnte sie ins Vertrauen gezogen haben?« Maguire preßte die Lippen aufeinander und schwieg. »Da war doch außer dir noch so ein Junge, mit dem sie öfter zusammen war. Hältst du es für möglich, daß der …?«
»Pete?« Maguire lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Es fehlte nicht viel, und er hätte lauthals angefangen zu lachen. »Der durfte sie doch höchstens küssen.«
»Aber trotzdem kann sie sich ihm doch in ihrer Not anvertraut haben?« Der Gedanke schien Maguire zu amüsieren. »Könnte sie zu ihrer Klassenlehrerin gegangen sein?«
Jetzt lachte Maguire wirklich. »Sie haben wirklich überhaupt keine Ahnung«, sagte er fast mitleidig.
Doch Morse hatte auf einmal verstanden. Er beugte sich vor und fixierte Maguire mit einem Blick, in dem so etwas wie Genugtuung lag.
»Nun, vermutlich hatte sie ja auch die Möglichkeit, sich an den Direktor zu wenden.« Er hatte ruhig, wenn auch mit einem gewissen Nachdruck gesprochen. Die Wirkung auf Maguire war geradezu dramatisch. Eine heiße Welle von Eifersucht ließ ihn über und über erröten. Morse war auf einmal sicher, daß er, wenn auch nur sehr langsam, sozusagen zentimeterweise, der Wahrheit über Valerie Taylor näherkam.
Wie sein Sergeant ließ sich nun auch Morse per Taxi zur Southampton Terrace chauffieren, wo Lewis geduldig ausgeharrt hatte. Sie machten sich unverzüglich auf die Heimfahrt. Morse war so damit beschäftigt, über das nachzudenken, was sein Gespräch mit Maguire zutage gefördert hatte, daß er völlig schweigsam war. Erst als sie die Autobahn verließen, schien er sich zu besinnen, daß Lewis neben ihm saß, und begann zu reden.
»Es tut mir leid, daß ich Sie nicht eher abholen konnte, Lewis.«
»Ach, das macht nichts, Sir. Sie mußten ja selbst warten.«
Morse nickte undeutlich. Er mochte dem Sergeant nicht
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