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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

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Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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London oder sonstwo. Das Mädchen ist tot. Wann geht das endlich in Ihren dicken Schädel?« Er legte auf, ohne sich zu verabschieden.
    Lewis verließ das Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Er brauchte jetzt einen Tee. In der Kantine saß Dickson. Man hätte meinen können, er lebe hier.
    »Na, den Mord gelöst, Sarge?«
    »Ach, laß mich in Ruhe.« Er setzte sich allein an einen der hinteren Tische und rührte mit genau dosierter Wut in seiner Tasse, so daß gerade nichts überschwappte.
     
     

Kapitel Fünfzehn
     
    Es ist doch seltsam Sam, daß die Leute die ganze Woche über in Unfrieden miteinander leben,
    bloß weil sie sonntags getrennte Wege gehen
    George Farquhar
     
    Der kurze, strahlende Altweibersommer ging zu Ende. Am Freitag wurde für das Wochenende unbeständiges und wechselhaftes Wetter vorhergesagt, mit starkem Wind und einzelnen schauerartigen Niederschlägen. Der Samstag war merklich kühler, und von Westen her zogen dunkle Wolken über Nord-Oxfordshire auf. Der Fernsehmeteorologe zeigte der Nation nach den Spätnachrichten mit düsterem Gesichtsausdruck eine Karte, auf der die Britischen Inseln unter den dicht nebeneinanderhegenden konzentrischen Isobaren, deren Zentrum irgendwo bei Birmingham lag, nahezu verschwanden. In drohendem Ton sprach er von einem beweglichen Frontensystem mit den dazugehörigen Tiefausläufern. Der Sonntag begann unfreundlich und naßkalt, aber der angedrohte Sturm mit heftigen Regenfällen ließ noch auf sich warten. Es war, als halte die Natur den Atem an; morgens um neun herrschte eine seltsam gedämpfte Stimmung, und die wenigen Menschen auf den Straßen schienen sich wie in einem Stummfilm zu bewegen.
    Vom Carfax, der großen Kreuzung im Herzen Oxfords, verläuft in westlicher Richtung die Queen Street, die später Park End Street heißt. Links ab davon, direkt gegenüber dem Bahnhof, liegt die Kempis Street, eine kleine, unscheinbare Straße, die auf beiden Seiten von altmodischen Reihenhäusern gesäumt wird. An diesem Morgen tritt um fünf nach neun ein Mann aus einem der Häuser und geht die Straße hinunter zu seiner Garage. Er öffnet das Tor, dessen grüner Anstrich schon lange verblichen ist, und steigt in einen Wagen von mattdunkler Farbe. Seine einstmals glänzenden Chromteile sind im Laufe der Jahre durch Rost unansehnlich geworden; ein neues Auto ist längst überfällig. Am fehlenden Geld liegt es nicht, daß er die Anschaffung immer wieder verschiebt. Er setzt rückwärts hinaus, fährt Richtung Zentrum, dann die St. Giles Street entlang. An der Gabelung hält er sich links und nimmt die Woodstock Road. Die Banbury Road wäre direkter und auch ein bißchen schneller, aber er hat seine Gründe, sie zu meiden. Wo die Woodstock Road auf die große Umgehungsstraße trifft, wendet er sich nach rechts und folgt ihr bis zum Kreisverkehr oberhalb der Banbury Road. Hier biegt er gleich bei der ersten Ausfahrt nach links. Er erhöht seine Geschwindigkeit, jedoch auf nicht mehr als moderate siebzig Stundenkilometer, läßt Oxford hinter sich und gelangt auf einer sanft abfallenden Straße nach Kidlington. Er parkt das Auto ein paar Minuten Fußweg von der Roger-Bacon-Schule entfernt in einer Seitenstraße und hofft, daß es dort niemandem auffällt. Es ist eine merkwürdige, um nicht zu sagen befremdliche Entscheidung. Mit schnellen Schritten, den Hut tief in die Stirn gedrückt und mit hochgezogenen Schultern, so als wolle er am liebsten ganz in seinem schweren Mantel verschwinden, hastet er die Auffahrt zur Schule hinauf, vorbei an der aus Fertigteilen erstellten Baracke des Bauleiters, der die anscheinend nie mehr endenden Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen am Schulkomplex beaufsichtigt, und schleicht sich verstohlen zwischen den zahlreichen teils permanenten, teils provisorischen Pavillons hindurch, in denen Schüler aller Altersklassen in die Geheimnisse der Natur- und Geisteswissenschaften eingeweiht werden. Die offen daliegende Fläche läßt ihn einen Moment zögern, wachsam sieht er erst nach rechts und links, bevor er eilig auf das niedrige Hauptgebäude zugeht. Der Eingang ist heute natürlich nicht offen, aber er hat einen Schlüssel. Drinnen herrscht ungewohnte Stille. Seine Schritte hallen auf dem gebohnerten Parkett; der Wachsgeruch ruft auch jetzt wieder Erinnerungen an seine Kindheit in ihm wach. Bevor er die Treppe zum ersten Stockwerk hinaufgeht, wirft er noch einen Blick über die Schulter. Mrs. Webbs Zimmer ist ebenfalls abgesperrt,

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