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abgeschlossen oder nicht – irgend jemand muß ja einen Schlüssel haben.«
»Das überzeugt mich alles noch nicht sehr, Dickson.«
»Oder sie liegt unter der Erde. Da liegen Tote ja meistens.« Er schien sich über seinen Witz königlich zu amüsieren. Lewis mochte sich das nicht mit ansehen und ging. In Morses Büro setzte er sich und starrte auf den verwaisten Sessel des Chief Inspectors; Morse konnte einen manchmal ganz schön auf die Palme bringen, aber ohne ihn machte es auch keinen Spaß …
Er dachte an Ainley. Von den Briefen hatte er nichts mehr erfahren. Und wenn –? Hätte er dann seine Meinung geändert? Lewis runzelte die Stirn. Wieso interessierte sich Morse nicht mehr für sie? Das war doch eine Spur. Es wäre bestimmt sinnvoller, sich einmal in London umzusehen, als hier in Kidlington herumzusitzen. Da tönte Morse immer, sie seien ein Team und so, aber bei der täglichen Arbeit war davon nicht viel zu merken. Morse bestimmte ganz allein, was getan wurde. Dagegen war ja auch nichts einzuwenden, dafür war er der Chef. Aber ab und zu könnte er ihm schon etwas mehr freie Hand lassen. Zum Beispiel jetzt in bezug auf London. Warum schlug er es ihm nicht einfach vor? Wenn er Valerie dann tatsächlich fand, so wäre das für Morse hoffentlich endlich eine Lehre. Lewis kam es nicht darauf an, als der Klügere dazustehen, aber der Chief Inspector konnte so verdammt stur und uneinsichtig sein, und wenn es ihm, Lewis, einmal gelänge, dem Chef zu beweisen, daß er sich auch irren konnte, vielleicht ließ er sich dann in Zukunft eher etwas sagen.
Er sah, daß Morse seine Notizen vom Vortag gefunden und offenbar auch gelesen hatte, und freute sich darüber. Der Inspector mußte, nachdem er sich mit den Taylors unterhalten hatte, noch einmal hier gewesen sein. Lewis’ Mund verzog sich zu einem liebevollen Grienen. Die Gespräche gestern hatten ihn bestimmt wieder auf neue Ideen gebracht.
Das Telefon klingelte, und er nahm den Hörer ab. Es war Peters.
»Sie können Inspector Morse ausrichten, daß ich zum gleichen Ergebnis gekommen bin wie beim ersten Brief. Anderer Kuli, anderes Papier, anderer Umschlag, anderes Postamt – aber dasselbe Ergebnis.«
»Das heißt also, diese zweite Mitteilung stammt ebenfalls von Valerie Taylor?«
Pause. »Das ist eine unzulässige Interpretation. Ich habe gesagt, das Ergebnis sei dasselbe.«
Lewis seufzte heimlich. »Also die Wahrscheinlichkeit beträgt neunzig Prozent.«
Wieder eine Pause. »Ja, fast.«
Lewis bedankte sich und beschloß, die Information sofort an Morse weiterzuleiten. Dieser hatte ihm gesagt, daß er ihn, falls etwas Wichtiges sei, im Gericht erreichen könne. Und Peters war doch wohl wichtig, oder? Wenn er mit Morse sprach, konnte er ihm auch gleich seinen Vorschlag mit London unterbreiten. Am Telefon war so etwas manchmal leichter, als wenn man einander gegenübersaß.
Er erfuhr, daß Morse gerade im Zeugenstand sei; es könne aber nicht mehr allzu lange dauern. Man werde ihm ausrichten, daß er im Präsidium zurückrufen möge.
Morse meldete sich eine Stunde später. »Was ist los, Lewis? Haben Sie die Leiche gefunden?«
»Nein, das nicht, Sir, aber Peters hat das Ergebnis.«
»Na endlich – und?« Es klang neugierig. »Wie lautet diesmal das Urteil unseres Mr. Neunmalklug?«
Lewis berichtete und war erstaunt, daß Morse es so ruhig aufnahm. »Vielen Dank, daß Sie mir Bescheid gegeben haben, Sergeant. Ich bin jetzt hier fertig, aber ich komme heute nicht mehr ins Büro. Letzte Nacht habe ich schlecht geschlafen und möchte mich etwas hinlegen. Passen Sie auf, daß inzwischen nichts wegkommt.«
Es schien Lewis, als habe der Inspector endgültig das Interesse verloren. Erst hatte er versucht, das Ganze zu einem Mordfall aufzubauschen, und jetzt, wo er sah, daß er damit nicht durchkam, verzog er sich ins Bett. Aber in dieser Situation war es ihm vielleicht egal, was sein Sergeant machte. Dann konnte es unter Umständen doch noch klappen mit London.
Er faßte sich ein Herz. »Ich habe auch ein bißchen über den Fall nachgedacht, Sir. Wäre es nicht eine gute Idee, wenn ich nach London führe und mich dort mal umsehn und ein paar Erkundigungen …«
Morse unterbrach ihn unfreundlich: »Wenn man Sie schon mal einen Tag allein läßt. Das ist eine Schnapsidee! Wenn Ihnen daran liegt, weiter mit mir zusammenzuarbeiten, dann wird es Zeit für Sie, endlich zu begreifen, daß es völlig unsinnig ist, nach Valerie Taylor zu suchen – in
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