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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

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Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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daß er ein Esel zwischen zwei Heubündeln ist.
     
    Zwei Manuskripte und unaufhörliches Schwanken – das traf es genau! In dem einen stand, daß Valerie Taylor lebte, und in dem andern, daß sie tot war. Und er wußte immer noch nicht, für welches er sich entscheiden sollte. Großer Gott! Welches der verdammten Manuskripte enthielt die Wahrheit? Möglicherweise keines von beiden.
    Wenn er weiter so grübelte, würde er heute gar nicht mehr zum Schlafen kommen. Er entschloß sich, alles zu vergessen, nahm sich den Band Kipling und schlug die Erzählung › Liebling der Frauen ‹ auf, die er am meisten schätzte. Morse war fest davon überzeugt, daß dieser Autor bei weitem mehr über Frauen wußte als Kinsey. Eine Stelle hatte er sich am Rand dick angestrichen:
     
    … es ist, wie Sie sagen, Sir, er war ein Mann mit einer Bildung, und die hat er für sich benutzt; und daß er was wußte und reden konnte und alles, das hat ihm zuerst geholfen, daß er alle Frauen dahin gekriegt hat, wo er sie haben wollte, aber später hat es sich gegen ihn gekehrt und hat ihn auseinandergerissen.
     
    Morse holte tief Luft; das haute ihn immer wieder um.
    Er überdachte, was er von Valeries Liebesleben erfahren hatte. Eigentlich nicht viel. Maguire war ja eher zugeknöpft gewesen, als er ihn um Auskunft gebeten hatte. Irgend etwas war ihm doch damals bei ihrem ersten Gespräch merkwürdig erschienen … Die Erinnerung saß ihm im Hinterkopf, entglitt ihm aber immer wieder wie ein Stück Seife in der Badewanne.
    Bildung … Die meisten Menschen wurden dadurch interessanter. Gebildete Männer hatten mehr Erfolg beim anderen Geschlecht. Selbst junge Mädchen wurden des seichten, oberflächlichen Geredes, das sie sich so oft von gleichaltrigen Burschen anhören mußten, bald überdrüssig. Wohl deswegen zogen manche von ihnen ältere Männer vor, Männer, die im Lauf der Jahre zumindest gelernt hatten, so zu tun, als ob ihnen das gepflegte Gespräch mehr bedeute als der Griff in die Bluse. Wie war das bei Valerie gewesen? Hatte sie eine Vorliebe für ältere Männer gehabt, oder war Phillipson eine Ausnahme gewesen? Hatte sie sich vielleicht auch mit Baines eingelassen? Der Gedanke war wohl doch eher abwegig. Und mit einem anderen Lehrer? Acum zum Beispiel? Plötzlich hatte er das Stück Seife in der Hand, bekam er die Erinnerung zu fassen. Er hatte Maguire gefragt, wie oft er und Valerie miteinander geschlafen hätten, und Maguire hatte geantwortet ›ein dutzendmal ungefähr‹, und er hatte ihn gemahnt, er solle bei der Wahrheit bleiben, in der Erwartung, daß Maguire die Zahl erhöhen würde.
    Aber nein, im Gegenteil, Maguire war heruntergegangen, ›drei-, viermal‹ hatte er gesagt. War er vielleicht gar nicht mit ihr im Bett gewesen?
    Warum nur war ihm nicht gestern die Frage schon gekommen? Da hätte er Gelegenheit gehabt, von Maguire die Wahrheit zu erfahren. Ob das mit ihrer Schwangerschaft dann auch nur seine Erfindung war? Er hatte angenommen, daß die Information stimmte; aber wohl vor allem deshalb, weil es seine eigene Vermutung bestätigt hatte. Und wie war er darauf gekommen? Weil es Sinn ergab. Und zwar in einem von ihm präfabrizierten Muster, in das er, wie er sich selbstkritisch eingestand, alles, was ihm an Erkenntnisfragmenten zufiel, hineinpreßte, ob sie nun paßten oder nicht.
    Wenn er wenigstens imstande gewesen wäre zu sagen, worin das Problem bestand. Dann wäre er schon nicht mehr ganz so kribbelig; selbst wenn es nicht in seiner Macht lag, es zu lösen. Plötzlich fiel ihm sein alter Lateinlehrer ein. Problem war wohl das Stichwort gewesen. Wann immer dieser vor einer nicht zu bewältigenden Schwierigkeit gestanden hatte – einer komplizierten Textstelle, einem unentwirrbaren Bandwurmsatz –, hatte er sich mit ernstem Gesicht an seine Schüler gewandt: »Meine Herren, nachdem wir nun diesem Problem furchtlos ins Antlitz geschaut haben, ist es, denke ich, an der Zeit weiterzugehen.« Morse lächelte wehmütig in der Erinnerung daran. Er schloß die Augen. Eine Textstelle, die mit einem Kreuz gekennzeichnet ist … der gekreuzte Text … seine Glieder begannen zu zucken. Texte, Manuskripte und mittendrin ein Esel, schrille Schreie ausstoßend, weil er nicht wußte, für welche von zwei Möglichkeiten er sich entscheiden sollte. Wie er selber … Der Kopf fiel ihm zur Seite, und er schlief ein. Das Licht brannte noch, der Kipling lag aufgeschlagen auf seiner Brust.
     
    Etliche Stunden früher am

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