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. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

. . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen

Titel: . . . Wurde Sie Zuletzt Gesehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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früher schon einmal vorgekommen?«
    »Nein, nie. Es sieht ihm auch gar nicht ähnlich.«
    »Ich bin auch erstaunt. Rufen Sie am besten jetzt gleich an.«
    Mrs. Webb wählte Baines’ Nummer. Das Tuut-tuut schien sich in einer unendlichen, nicht zu durchdringenden Stille zu verlieren.
    »Es hebt keiner ab«, sagte sie.
     
    Um 2 Uhr 15 erschien vor Baines’ Haus eine Frau von Anfang Fünfzig und zog einen Schlüssel aus der Tasche. Baines leistete sich dreimal in der Woche eine Putzhilfe. Sie wunderte sich, daß die Tür nicht verschlossen war, schob sie auf und trat ein. Die Vorhänge waren noch zugezogen, im Arbeitszimmer und in der Küche brannte Licht. Sie machte ein paar Schritte auf die offene Küchentür zu. Noch vom Flur aus sah sie die zusammengesunkene Gestalt von Baines vor dem Kühlschrank. Aus seinem Rücken ragte der Griff eines Küchenmessers, das getrocknete Blut bildete einen häßlichen dunklen Fleck auf seinem pastellfarbenen Baumwollhemd. Die Szene hatte etwas Irreales.
    Sie öffnete den Mund und begann zu schreien.
     
    Es war halb fünf, ehe die Leute von der Spurensicherung und der Fotograf ihre Arbeit beendet hatten. Der bucklige Polizeiarzt erhob sich aus seiner unbequemen Stellung und streckte seine strapazierte Wirbelsäule, soweit sein Leiden ihm dies gestattete.
    »Nun?« fragte Morse.
    »Schwer zu sagen. Zwischen sechzehn und zwanzig Stunden.«
    »Geht’s nicht genauer?«
    »Nein.«
    Morse war noch nicht lange da. Die meiste Zeit hatte er in einem Sessel im Arbeitszimmer gesessen und abwesend vor sich hin gestarrt. Er wartete darauf, daß die anderen das Haus verließen und er sich in Ruhe umsehen konnte. Daß ihm die Experten hier viel weiterhelfen konnten, bezweifelte er. Es gab kein Anzeichen dafür, daß sich der Mörder gewaltsam Zutritt verschafft hatte, keine Fingerabdrücke, keine blutigen Fußspuren – nur einen Toten, eine Blutlache und einen Kühlschrank mit einer offenen Tür.
    Draußen hielt mit quietschenden Bremsen ein Polizeiwagen, und Lewis kam herein. »Er war heute morgen nicht in der Schule, Sir.«
    »Hätte mich auch gewundert«, sagte Morse. Es war nicht als Witz gemeint.
    »Wissen wir, wann er umgebracht wurde?«
    »Zwischen acht Uhr und Mitternacht.«
    »Nicht gerade sehr genau.«
    Morse nickte. »Ja, leider ziemlich vage.«
    »Haben Sie mit so etwas gerechnet?«
    Morse schüttelte den Kopf. »Nein, überhaupt nicht.«
    »Glauben Sie, daß sein Tod mit unserem Fall zusammenhängt?«
    »Was glauben Sie denn selbst?«
    »Irgend jemand hat vermutlich befürchtet, daß Baines uns etwas mitteilen würde.« Morse ließ ein unverbindliches Grunzen hören. »Wenn man so denkt …« Lewis sah auf seine Uhr. »Jetzt hätte er es uns schon erzählt. Ich habe vorhin längere Zeit überlegt, Sir.« Er warf Morse einen bedeutungsschweren Blick zu.
    »Eigentlich können überhaupt nur zwei Personen gewußt haben, daß wir heute mit ihm sprechen wollten. Er selbst und – Phillipson.«
    »Jeder der beiden hat es vielleicht noch einem Dutzend anderer gesagt.«
    »Schon, aber …«
    »Sie haben ganz recht, darauf hinzuweisen, Lewis. Ich sehe schon, worauf Sie hinauswollen. Wie hat Phillipson die Nachricht übrigens aufgenommen?«
    »Scheint ihn ziemlich erschüttert zu haben.«
    »Es wäre interessant zu erfahren, was er zwischen acht Uhr und Mitternacht gemacht hat«, murmelte Morse mehr zu sich selbst, während er sich langsam aus dem Sessel erhob. »Na, dann lassen Sie uns mal so tun, als seien wir Detektive.«
    Die Männer von der Ambulanz wollten wissen, ob sie die Leiche mitnehmen konnten. Morse begleitete sie in die Küche. Man hatte Baines behutsam auf die rechte Seite gedreht. Morse beugte sich herunter und zog langsam das Messer aus dem Rücken. Aufs neue wurde ihm bewußt, was für ein scheußliches Verbrechen Mord war. Das Messer, ein englisches Fabrikat der Marke Prestige , hatte einen Holzgriff und war ungefähr 35 cm lang, die Schneide war scharf wie bei einem Rasiermesser. Aus der Wunde trat etwas hellrotes Blut und sickerte in den schwärzlich verklebten Stoff des Hemdes. Mit einem weißen Tuch bedeckt, wurde Baines’ Leiche hinausgetragen.
    »Wissen Sie, Lewis, der Mörder hat – wenn man so will – unglaubliches Glück gehabt. Es ist nämlich alles andere als einfach, jemanden mit einem Messer von hinten zu erstechen. Man trifft sehr leicht die Wirbelsäule, oder die Klinge gleitet an den Schulterblättern oder den Rippen ab, aber selbst wenn das nicht

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