Wurzeln
Pfanne und buttertriefend, auf. Er war tief bewegt. Höchstwahrscheinlich hatte sie das Mehl in seinem Mörser gestampft. Doch schon vordem hatte er sich zu einer Aussprache mit Bell entschlossen. Als er sich also nach dem Mittagessen wieder bei ihr meldete, zwang er sich, das sorgfältig Einstudierte zu sagen: »Ich möchte nach dem Abendessen mit dir reden.« Bell ließ sich nicht allzuviel Zeit mit ihrer Antwort. »Mir egal. Meinetwegen«, sagte sie zu ihrem Bedauern zu rasch.
Bis zum Abendessen war es Kunta gelungen, sich in einen regelrechten Zustand zu treiben. Warum hatte sie das gesagt? War es ihr wirklich so gleichgültig, wie sie tat? Und wenn, warum hatte sie ihm den Maisfladen gebacken? Er mußte die Sache mit ihr ausfechten. Nur hatten weder er noch Bell daran gedacht, genau auszumachen, wann und wo sie sich treffen wollten. Schließlich nahm er an, daß sie wohl in ihrer Hütte auf ihn wartete, und hoffte verzweifelt, daß irgendein Notruf für den Masser kommen möge. Als jedoch nichts dergleichen geschah und er es nicht länger hinauszögern konnte, holte er noch einmal tief Luft, öffnete seine Hüttentür und ging zur Scheune hinüber. Er kam mit dem Pferdegeschirr wieder heraus und hoffte, damit die Neugier derer zu befriedigen, die ihn womöglich sahen und sich fragen mochten, was er so spät noch draußen zu tun habe. Dann schlenderte er gemächlich zu Bells Hütte im Sklavenquartier hinunter, sah sich vorsichtig um, ob auch niemand ihn beobachtete, und klopfte endlich leise an die Tür.
Sie öffnete sich, fast ehe seine Hand das Holz berührt hatte, und Bell trat heraus. Sie warf einen Blick auf das Pferdegeschirr, dann auf Kunta – und sagte nichts. Als auch er nichts sagte, schlenderte sie gemächlich auf die hintere Einzäunung zu. Er folgte ihr. Der Halbmond ging gerade auf, und sie wanderten schweigend in seinem blassen Licht. Dann blieb Kunta mit dem linken Fuß in einer Wurzel hängen, stolperte und streifte Bell mit seiner Schulter. Er scheute fast wie vor der Peitsche zurück. Er zermarterte sein Hirn nach einem – irgendeinem – Gesprächsthema und wünschte verzweifelt, es wäre der Gärtner, der neben ihm herging, oder der Fiedler, oder irgend jemand sonst – nur nicht Bell.
Zu guter Letzt war sie es, die das Schweigen brach. Sie sagte plötzlich: »Die Weißen haben den General Washington vereidigt.« Kunta unterdrückte die Frage, was das bedeute, aus Angst, sie könnte aufhören zu sprechen. »Und ein anderer Masser, der John Adams heißt, ist Vizepräsident«, fuhr sie fort.
Er fühlte gequält, daß nun er etwas sagen mußte, um das Gespräch in Gang zu halten. Schließlich sagte er: »Gestern hab ich den Masser zu der Kleinen von seinem Bruder zu Besuch gefahren«, und schämte sich sogleich, denn Bell wußte das natürlich genau.
»Himmel, wie der das Kind liebt!« sagte Bell und schämte sich, denn genau das sagte sie so gut wie immer, wenn das Gespräch auf die kleine Miss Anne kam. Das Schweigen drohte sich wieder auszubreiten, als sie fortfuhr: »Ich weiß ja nicht, was du über den Masser sein Bruder weißt. Er ist Kreisbeamter für Spotsylvania. Aber er hat keinen solchen Kopf fürs Geschäft wie unser Masser.« Bell schwieg ein paar Schritte lang. »Ich halt meine Ohren auf, wenn sie reden. Ich weiß viel mehr, als sie alle denken, daß ich weiß.«
Sie warf Kunta einen Blick zu. »Ich kann den Masser John nicht leiden – und du bestimmt schon gar nicht –, aber etwas sollst du doch über ihn wissen, was ich dir noch nie erzählt hab. Er hat dir deinen Fuß nicht abhacken lassen. Er war stinkwütend mit dem gemeinen Pack von armen Weißen, die das getan haben. Er hat sie bloß geholt gehabt, daß sie dich mit ihren Niggerhunden finden sollten, und dann haben sie behauptet, sie haben es getan, weil du einen von ihnen mit einem Stein totschlagen wolltest.« Bell machte eine Pause. »Ich erinner mich noch wie heute, wie der Sheriff dich zu unserm Masser gebracht hat.« Bell sah Kunta im Mondlicht an. »Du warst schon so gut wie tot, hat unser Masser gesagt. Er war so wütend mit Masser John, wie der sagt, er kann dich mit dem abenen Fuß nicht mehr brauchen, daß er geschworen hat, er kauft dich von ihm, und dann hat er’s ja auch getan. Ich hab sogar selbst die Urkunde gesehn, mit der er dich gekauft hat. Er hat nämlich mit dir zusammen eine große Farm von seinem Bruder gekriegt, weil der ihm noch Geld geschuldet hat. Die Farm mit dem Teich an der breiten
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