Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
Vom Netzwerk:
geschickt.
    Als er den Mörser außen und innen fertig hatte, fand er einen abgelagerten, ganz geraden dicken Hickoryast, den er bald in einen Stößel verwandelte. Dann machte er sich daran, den oberen Teil des Griffes erst mit einer Feile, dann mit dem Messer und schließlich mit einem Stück Glas zu glätten.
    Als Mörser und Stößel fertig waren, ließ Kunta sie noch zwei Wochen in einer Ecke seiner Hütte stehen. Er betrachtete sie hier und da und befand, daß sie selbst in der Küche seiner Mutter nicht fehl am Platze gewirkt hätten. Aber er wußte nun, da er sie einmal gemacht hatte, nicht recht, was er mit ihnen anfangen sollte; oder zumindest redete er sich das ein. Dann nahm er sie eines Morgens, ohne weiter darüber nachzudenken, mit, als er zu Bell ging, um sich nach den Plänen des Masser zu erkundigen. Nachdem sie ihm hinter der Fliegentür kurz zugerufen hatte, daß der Masser nicht vorhabe, an diesem Morgen auszufahren, wartete Kunta, bis sie ihm den Rücken wandte, und stellte zu seiner eigenen Überraschung Mörser und Stößel auf der Stufe ab, um dann, so schnell er nur konnte, wegzulaufen. Bell, die den leisen Aufprall gehört hatte, drehte sich um und sah nur Kunta noch eiliger als sonst davonhumpeln, dann fiel ihr Blick auf die Gegenstände. Sie sah Kunta nach, bis er verschwunden war, hakte dann die Fliegentür aus und betrachtete den Mörser mit dem Stößel; sie war sprachlos. Als sie ihn aufhob und hereintrug, bemerkte sie erstaunt die kunstvolle Schnitzerei. Und dann weinte sie.
    Es war das erste Mal in den zwanzig Jahren auf der Waller-Pflanzung, daß ein Mann etwas für sie gemacht hatte. Scham über die Art, mit der sie Kunta behandelt hatte, stieg in ihr auf, und es fiel ihr auch ein, wie seltsam der Fiedler und der Gärtner reagiert hatten, als sie sich kürzlich bei ihnen über ihn beklagte. Vielleicht hatten sie davon gewußt? Aber sicher konnte sie dessen bei Kuntas verschlossener afrikanischer Art auch wieder nicht sein.
    Bell wußte nicht, was sie denken – und nicht, wie sie sich nach dem Mittagessen, wenn er wieder nach den Plänen des Masser fragen mußte, verhalten sollte. Sie war froh, daß sie wenigstens den Rest des Vormittags hatte, um sich darüber klarzuwerden.
    Inzwischen saß Kunta in seiner Hütte und hatte das Gefühl, aus zwei Menschen zu bestehen, von denen der eine über die alberne, lächerliche Tat zutiefst beschämt war, während der andere vor Freude und Begeisterung triumphierte. Warum hatte er das bloß getan? Was mochte sie jetzt denken? Er fürchtete sich vor dem Gang zur Küche nach dem Mittagessen.
    Endlich wurde es Zeit, und Kunta schleppte sich zum Haus, als ginge er zu seiner Hinrichtung. Als er sah, daß der Mörser von der Hintertreppe verschwunden war, hob das seine Stimmung und dämpfte sie zugleich. Vor der Fliegentür angekommen, sah er, daß sie den Mörser nur eben hereingenommen und auf den Boden gestellt hatte, als wisse sie nicht genau, wozu Kunta ihn dagelassen hatte. Sie drehte sich auf sein Klopfen um, als hätte sie ihn nicht kommen hören, und versuchte, ganz gelassen auszusehen, als sie die Tür aushakte und für ihn aufhielt. Ein schlechtes Zeichen, dachte Kunta, seit Monaten hatte sie ihm die Tür nicht mehr geöffnet. Aber so gern er eingetreten wäre, er konnte den ersten Schritt einfach nicht tun. Er blieb wie angewurzelt stehen und erkundigte sich sachlich nach dem Masser, und Bell gelang es trotz ihrer gekränkten Verwirrung, ebenso sachlich zu erwidern, daß der Masser den Einspänner auch am Nachmittag nicht brauche. Als Kunta gehen wollte, fügte sie rasch hinzu: »Hat den ganzen Tag Briefe geschrieben.« Alles, was sie sich ihm zu sagen vorgenommen hatte, war ihr entfallen, und als er sich wieder zum Gehen wandte, hörte sie sich, auf den Mörser deutend, rufen: »Was ist denn das?«
    Kunta wünschte sich, sonstwo zu sein. Endlich antwortete er fast ärgerlich: »Zum Kornmahlen für dich.« Bell sah ihn an, und ihre gemischten Gefühle spiegelten sich deutlich auf ihrem Gesicht. Kunta benützte das entstandene Schweigen zum Vorwand, sich schleunigst davonzumachen, er drehte sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort. Bell stand da und kam sich albern vor.
    Während der beiden folgenden Wochen sprachen sie, außer gelegentlichen Grüßen, nicht miteinander. Dann gab Bell Kunta eines Tages an der Tür einen runden Maisfladen mit. Er murmelte seinen Dank, brachte ihn in seine Hütte und aß ihn, noch heiß von der

Weitere Kostenlose Bücher