Wurzeln
sachte und zärtlich über die Sitze, und manchmal hielt er fast inne, dann beschäftigte er sich im Geiste mit einer ihrer besonders liebenswerten Eigenschaften. Er mußte zugeben, daß sie ihm, bei all ihren Fehlern, im Laufe der Jahre eine Menge Gutes erwiesen hatte. Er war sogar ziemlich sicher, daß Bell auch bei seiner Wahl zum Kutscher ihre Hände mit im Spiel gehabt hatte. Zweifellos hatte sie auf ihre stille Art mehr Einfluß auf den Masser als irgendein anderer auf der Pflanzung, wahrscheinlich sogar mehr als alle anderen zusammengenommen. Und nach und nach fielen ihm auch eine ganze Reihe kleinerer Begebenheiten ein, zum Beispiel, wie ihr vor einiger Zeit, als er noch im Garten arbeitete, aufgefallen war, daß er sich dauernd die Augen rieb; sie hatten ihm zum Verrücktwerden gejuckt. Wortlos war sie eines Morgens mit großen, vom Tau noch nassen Blättern im Garten erschienen und hatte ihm die Tautropfen in die Augen geschüttet, worauf das Jucken bald aufhörte.
Nicht, als würde auf einmal alles, was ihm an Bell mißfiel, keine Rolle mehr spielen, sagte sich Kunta, und der Lappen wurde rascher. Vor allem ihre abstoßende Gewohnheit, in einer Pfeife Tabak zu rauchen. Und noch anstößiger war, wie sie, bei irgendwelchen Festen der Schwarzen, tanzte! Er war durchaus der Meinung, daß Frauen tanzen sollten, und das auch nicht nur mit gezügeltem Temperament. Aber wie Bell sich auch noch bemühte, ihren Hintern hin und her zu schwenken, das fand er einfach beunruhigend. Vermutlich war das auch der Grund für die Bemerkungen des Fiedlers und des Gärtners über sie gewesen. Natürlich ging ihn Bells Hintern nichts an, er wünschte nur, sie hätte ein wenig mehr Selbstrespekt – und wenn man schon einmal dabei war –, auch ein wenig mehr Respekt vor ihm und anderen Männern. Ihre Zunge kam ihm noch spitzer vor als die der alten Nyo Boto. Er hatte ja nichts dagegen, daß sie kritisch war, wenn sie es bloß für sich behalten oder nur in Gesellschaft von Frauen äußern würde, wie es in Juffure der Brauch war.
Als Kunta mit dem Wagen fertig war, machte er sich daran, das Ledergeschirr zu säubern und zu fetten, und aus irgendeinem Grund fielen ihm dabei die alten Männer in Juffure ein, die Gegenstände aus ähnlichem Holz wie der kniehohe Hickorystamm, auf dem er gerade saß, schnitzten. Er dachte daran, wie sorgfältig sie das Holz aussuchten und wie sie sich, wenn es durch und durch abgelagert war, erst mit ihm vertraut machten, ehe sie es mit ihren Krummäxten und Messern in Angriff nahmen.
Kunta stand auf und kippte den Hickorystamm auf die Seite, so daß die Käfer, die unter ihm hausten, davonstoben. Nachdem er beide Enden des Stammes eingehend untersucht hatte, rollte er ihn hin und her und klopfte ihn mit einem Stück Eisen ab; er klang überall gleich fest und abgelagert. Es schien ihm reine Verschwendung, dieses gute Stück Holz einfach so nutzlos herumliegen zu lassen. Offensichtlich lag es nur da, weil irgend jemand es vor langer Zeit dort hingebracht und sich nicht weiter darum gekümmert hatte. Er sah sich vorsichtig um, ob ihn niemand beobachtete, und rollte den Stamm hastig in seine Hütte, wo er ihn aufrecht in eine Ecke stellte, dann schloß er die Tür und ging wieder an seine Arbeit.
Am selben Abend, nachdem er den Masser auf einer schier endlosen Fahrt von der Kreisstadt zurückgebracht hatte, war es Kunta unmöglich, nun auch noch das Abendessen abzuwarten, ehe er sich dem Hickorystamm widmen konnte, also nahm er sein Essen mit in die Hütte. Ohne auch nur wahrzunehmen, was er aß, hockte er vor dem Holzstück auf dem Boden und sah es sich im flackernden Schein der Kerze auf seinem Tisch gründlich an. Dabei tauchte das Bild von einem Mörser und einem Stößel vor ihm auf, die Omoro einmal für Binta geschnitzt hatte und die vom vielen Gebrauch beim Zerstampfen des Korns ganz glatt geworden waren.
Kunta sagte sich, daß er nur zum reinen Zeitvertreib, wenn der Masser gerade nirgendwohin wollte, damit begann, den Stamm mit einem scharfen Beil so zu bearbeiten, daß der rohe Umriß eines Mörsers entstand. Am dritten Tag war er schon so weit, mit einem Hammer und einem Holzmeißel das Innere des Mörsers auszuhöhlen, und dann fing er die Schnitzarbeit mit dem Messer an. Nach einer Woche sah Kunta verwundert auf seine Hände. Dafür, daß er den alten Männern in seinem Dorf seit über zwanzig Regen nicht mehr beim Schnitzen zugeschaut hatte, bewegten sie sich erstaunlich
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