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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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noch nach Worten suchte, sagte sie ihm schon, um welche Zeit sie ihn erwarte, und damit hatte sich der Fall.
    Er schrubbte sich in einer Blechwanne von Kopf bis Fuß mit einem rauhen Lappen und einem Stück brauner Waschseife ab. Dann schrubbte er sich noch einmal und dann ein drittes Mal. Dann trocknete er sich ab und ertappte sich beim Anziehen dabei, daß er leise ein Lied aus seinem Dorf vor sich hin summte: »Mandumba, dein langer Hals ist sehr schön –«. Bell hatte keinen langen Hals, und schön war sie auch nicht, aber er mußte zugeben, daß es ein sehr angenehmes Gefühl war, in ihrer Nähe zu sein. Und er wußte, daß es ihr ebenso ging.
    Bells Hütte mit dem kleinen Blumenbeet vor dem Eingang war die größte der ganzen Pflanzungen und lag am dichtesten beim Herrenhaus. Da er ihre Küche kannte, war die makellose Sauberkeit ihrer Hütte keine Überraschung für Kunta. Das Zimmer, in das er trat, nachdem sie ihm die Tür geöffnet hatte, strahlte mit seinen sorgfältig mit Lehm abgedichteten Bretterwänden, seinem Kamin aus selbstgebrannten Ziegeln behagliche Wärme aus. Neben der offenen Feuerstelle hing ihr auf Hochglanz poliertes Küchengerät. Im Gegensatz zu Kuntas und den anderen Hütten hatte die von Bell nicht nur ein Zimmer mit einem Fenster, sondern zwei Zimmer und zwei Fenster mit Läden, die sie bei Regen oder Kälte schließen konnte. Im Hinterzimmer, das mit einem Vorhang abgeteilt war, schlief sie offenbar, und Kunta vermied, zur Türöffnung zu sehen. Auf dem länglichen Tisch in der Mitte des Wohnraumes standen Messer, Gabel und Löffel in einem Krug und in einem anderen Blumen aus ihrem Garten. Auf flachen Tonuntersetzern brannten zwei Kerzen, und zwei Stühle mit hohen Lehnen und Sitzen aus Rohrgeflecht standen an beiden Tischenden.
    Bell bat ihn, sich in den Schaukelstuhl zu setzen, der neben der Feuerstelle stand. Er tat es mit Vorsicht, denn er hatte noch nie in einem dieser komischen Dinger gesessen, und bemühte sich, den ganzen Besuch ebenso selbstverständlich scheinen zu lassen wie Bell.
    »Ich hatte soviel zu tun, hab nicht mal das Feuer angesteckt«, sagte sie, und Kunta, nur zu froh, eine Beschäftigung für seine Hände zu finden, sprang auf. Er schlug Feuerstein und Eisen kräftig aufeinander, daß die Funken in die Baumwollflocken stoben, die Bell schon zwischen die Äste unter den dicken Eichenstämmen geschoben hatte, und bald prasselte das Feuer.
    »Weiß auch nicht, warum ich dich ausgerechnet heute eingeladen hab, wo alles durcheinander ist und nichts fertig«, sagte Bell und machte sich mit ihren Töpfen zu schaffen.
    »Ich hab’s nicht eilig«, brachte Kunta heraus. Aber das vorgekochte Huhn und die Klöße, von denen sie genau wußte, wie gern Kunta sie aß, brutzelten schon. Und als sie aufgetragen hatte, schimpfte sie mit ihm, weil er so schlang. Aber er aß weiter, bis Bell ihm zum drittenmal nachgereicht hatte, und selbst dann ließ sie noch nicht locker, denn es war noch immer etwas übrig im Topf.
    »So, jetzt platz ich gleich«, stöhnte Kunta wahrheitsgemäß. Und nachdem sie sich schon ein wenig unterhalten hatten, stand er auf und sagte, daß er nach Hause müsse. In der Tür blieben sie stehen, er sah Bell an und Bell ihn, und keiner sagte ein Wort. Dann wandte Bell die Augen ab, und Kunta humpelte durch das ganze Sklavenquartier zu seiner Hütte zurück.
    Er erwachte heiterer, als er sich je gefühlt hatte, seit er nicht mehr in Afrika war – doch erzählte er niemandem, warum er so ungewohnt fröhlich und aufgeschlossen war. Aber das war auch kaum nötig. Es sprach sich schnell herum, daß man Kunta in Bells Küche hatte lächeln, ja sogar lachen sehen. Und Bell lud Kunta weiter zum Abendessen zu sich nach Hause ein – erst einmal die Woche oder so, dann regelmäßig zweimal. Obwohl er eigentlich fand, er müsse auch hin und wieder mal absagen, konnte er sich doch nie dazu entschließen. Und Bell kochte ihm all die Dinge, von denen er ihr erzählt hatte, daß es sie auch in Gambia gab, Faselbohnen zum Beispiel, Okra, ein Mus aus Erdnüssen, oder in Butter gebratene Yamswurzel.
    Nach wie vor blieb ihre Unterhaltung meist einseitig, aber das störte keinen von beiden. Bells Lieblingsthema war natürlich Masser Waller, und es überraschte Kunta immer wieder, wieviel mehr Bell über den Mann, mit dem er doch häufiger als sie zusammen war, wußte als er.
    »In manchen Sachen ist der Masser komisch«, sagte Bell. »Natürlich traut er den Banken schon,

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