Wurzeln
aber außerdem versteckt er auch Geld, wo niemand außer mir weiß wo. Und mit seinen Niggern ist er auch komisch. Er tut so ungefähr alles für sie, aber wenn einer bloß mal was anstellt, schon verkauft er ihn, wie mit Luther.
Und mit noch was ist er komisch«, fuhr Bell fort. »Er läßt hier keine gelben Nigger nicht arbeiten. Ist dir noch nie aufgefallen, daß außer dem Fiedler nur schwarze Nigger hier sind? Der Masser sagt auch immer allen, was er davon hält. Ich hab schon selber gehört, wie er das den wichtigsten Männern im ganzen Kreis einfach ins Gesicht sagt. Ich meine, die, die selber haufenweise gelbe Nigger haben. Er sagt, es machen zu viele weiße Männer Sklavenkinder, und daß sie andauernd ihr eigenes Fleisch und Blut kaufen und verkaufen, das muß aufhören.«
Obwohl Kunta es sie nie merken ließ und ihre Erzählungen mit ständigen »Ahas« begleitete, hörte er Bell doch manchmal nur mit halbem Ohr zu und dachte an etwas anderes. Einmal, als sie ihm aus Mehl, das sie in seinem Mörser mit seinem Stößel zermahlen hatte, einen Hackenkuchen buk und dabei erzählte, daß Hackenkuchen so hießen, weil Sklaven sie auf der flachen Seite ihrer Hacken buken, wenn sie draußen auf den Feldern arbeiteten – sah er sie im Geiste in einem afrikanischen Dorf kouskous fürs Frühmahl stampfen.
Hier und da gab Bell Kunta sogar irgend etwas Besonderes, das sie gekocht hatte, für den Fiedler und den Gärtner mit. Er war nicht mehr so häufig mit ihnen zusammen wie früher, aber sie schienen ihm das nicht übelzunehmen, und je seltener sie sich sahen, umso größer war die Freude an einer Unterhaltung, wenn sie dann doch einmal zusammensaßen. Obwohl er nie mit ihnen über Bell sprach – und sie auch die Rede nie auf Bell brachten –, war ihnen deutlich anzumerken, daß sie so genau über alles Bescheid wußten, als träfen Kunta und Bell sich mitten auf dem Platz vor der Scheune. Das war Kunta zwar peinlich, da man es aber nicht ändern konnte, nahm er es hin.
Es gab andere, ernsthaftere Probleme, die ihn beschäftigten und die er mit Bell zu klären hatte, ohne daß es ihm recht gelingen wollte, sie zur Sprache zu bringen. Unter anderem war da das große, gerahmte Bild an der Wand ihres Wohnraumes, das diesen gelbhaarigen »Jesus« darstellte, der anscheinend ein Verwandter ihres heidnischen »O Gott« war. Als er es endlich doch irgendwann erwähnte, erwiderte Bell prompt: »Es gibt bloß zwei Orte, wohin alle Leute mal kommen. Himmel oder Hölle. Und wo du hinkommst, das geht nur dich was an.« Mehr hatte sie dazu nicht zu sagen. Die Antwort bekümmerte ihn jedesmal, wenn er an sie dachte, aber schließlich entschied er, daß sie genau wie er ein Recht auf ihren eigenen Glauben habe, wie irrig er auch immer sein mochte. Er war mit Allah geboren und würde unerschütterlich auch mit Allah sterben – obwohl er nicht mehr regelmäßig zu ihm gebetet hatte, seit er sich so oft mit Bell traf. Er nahm sich vor, das zu ändern, und hoffte, Allah möge ihm vergeben.
Es schien ihm sowieso schwierig, allzu streng über jemanden zu urteilen, der so gut zu einem Mann fremden Glaubens war – selbst wenn es sich um einen so würdigen wie ihn handelte – wie diese heidnische Christin. Tatsächlich war sie so gut zu ihm, daß Kunta das Bedürfnis hatte, etwas für sie zu machen – so wie damals Mörser und Stößel. Also hielt er eines Tages, als er auf dem Weg zu Masser John war, um Missy Anne zu einem Wochenendbesuch bei Masser Waller abzuholen, an einer Stelle, wo besonders schöne Binsen wuchsen, und suchte sich einige der kräftigsten, die er finden konnte, aus. In den nächsten Tagen flocht er dann aus den feingespaltenen Binsen und ausgesucht weichem, weißem Maisstroh eine Matte mit einem kräftigen Mandinka-Muster in der Mitte. Sie gelang ihm noch schöner, als er erwartet hatte, und als er das nächste Mal zum Abendessen zu Bell ging, brachte er sie ihr mit. Sie sah Kunta über die Matte hinweg an. »Auf der trampelt mir aber keiner drauf rum!« rief sie aus und verschwand in ihrer Schlafkammer. Nach einem Augenblick war sie, eine Hand auf dem Rücken versteckt, zurück und sagte: »Die solltest du eigentlich zu Weihnachten kriegen, aber ich mach dir was andres.« Sie streckte ihre Hand aus, darin ein Paar feingestrickter Wollsocken – der eine hatte nur einen halben Fuß und vorne ein wollig weiches Polster. Weder er noch Bell wußten, was sie sagen sollten. Der Duft des Essens, das sie gekocht
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