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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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führten.
    Andererseits aber, dachte Kunta … und überlegte hin und her. Aber wie vernünftig die Gründe, Liza zu heiraten, auch sein mochten – irgend etwas hielt ihn zurück. Dann eines Abends, als er im Bett lag und einzuschlafen versuchte, traf es ihn wie ein Blitz! Es gab ja noch eine andere Frau, die in Betracht kam.
    Bell. – Er dachte, er sei übergeschnappt. Sie war mindestens dreimal zu alt – wahrscheinlich schon über vierzig Regen. Ein lächerlicher Gedanke.
    Bell.
    Kunta suchte sie sich aus dem Kopf zu schlagen. Er sagte sich, er sei nur auf sie verfallen, weil er sie schon so lange kannte. Er hatte nie auch nur von ihr geträumt. Er erinnerte sich grollend daran, wie oft sie ihn schon beleidigt und geärgert hatte. Er erinnerte sich daran, wie sie ihm die Fliegentür ins Gesicht knallte, wenn er ihr den Gemüsekorb zur Küche brachte. Und er erinnerte sich an ihre Empörung, als er ihr gesagt hatte, sie sehe wie eine Mandinka aus. Sie war eine Heidin. Und außerdem war sie streitsüchtig und rechthaberisch. Und obendrein redete sie zuviel.
    Aber ob er wollte oder nicht, er erinnerte sich auch daran, wie sie, als er dagelegen hatte und nur noch sterben wollte, vier-, fünfmal täglich bei ihm vorbeigekommen war, wie sie ihn gepflegt und gefüttert und sogar gesäubert hatte, wenn er in seinem eigenen Schmutz lag, und wie ihre heißen Umschläge aus zerstampften Blättern sein Fieber brachen. Und sie kochte in ihren schwarzen Töpfen ganz wunderbare Sachen.
    Je weniger unmöglich ihm der Gedanke an sie schien, desto gröber wurde er zu ihr, und desto rascher verschwand er wieder aus der Küche, wenn seine Pflichten erfüllt waren. Und sie quittierte seine Rückzüge mit abweisenderen Blicken denn je.
    Eines Tages, als er in seiner Unterhaltung mit dem Gärtner und dem Fiedler vorsichtig das Gespräch auf Bell brachte, glaubte er im genau richtigen Ton völliger Gleichgültigkeit zu fragen: »Wo war sie eigentlich, bevor sie herkam?« Aber prompt richteten sich die beiden zu Kuntas Entsetzen interessiert auf und starrten ihn an, als ob sie etwas witterten.
    »Hm«, sagte der Gärtner nach einer Weile. »Sie ist ungefähr zwei Jahre vor dir gekommen. Aber sie erzählt nicht viel von sich. Ich weiß auch nicht mehr wie du.«
    Der Fiedler sagte, Bell habe auch mit ihm nicht über ihre Vergangenheit gesprochen.
    Kunta hätte nicht genau sagen können, was ihm an ihrem Ausdruck nicht recht behagte. Doch, jetzt hatte er’s: es war ihre Selbstzufriedenheit.
    Der Fiedler kratzte sich am rechten Ohr: »Ist schon komisch, daß du nach Bell fragen tust«, sagte er und deutete auf den Gärtner, »weil, ich und er, wir haben schon lange von euch geredet.« Er sah Kunta prüfend an.
    »Wir haben gesagt, daß ihr beide vielleicht genau seid, was ihr beide braucht«, sagte der Gärtner.
    Kunta blieb vor Empörung der Mund offenstehen, nur brachte er keinen Ton heraus.
    Noch immer sein Ohr kratzend, sah der Fiedler listig auf. »Na ja, der ihr dickes Hinterteil, da würden die meisten Männer nicht mit fertig.«
    Kunta wollte ärgerlich etwas sagen, aber der Gärtner fiel ihm ins Wort und fragte scharf: »Hör mal, wie lange hast du keine Frau nicht gehabt?«
    Kunta starrte ihn wütend an.
    »Zwanzig Jahre bestimmt nicht!« rief der Fiedler aus.
    »Großer Gott!« sagte der Gärtner. »Besser besorgst du dir eine, sonst trocknest du noch aus.«
    »Ist er ja vielleicht schon«, warf der Fiedler ein. Kunta, der keines Wortes mehr fähig war und sich gerade nur noch so weit zusammennehmen konnte, daß er aufstand und hinausstampfte, hörte, wie ihm der Fiedler nachrief: »Keine Sorge! Mit der bleibst du nicht lange trocken!«

Kapitel 64
    Sofern er den Masser nicht irgendwo hinfahren mußte, verbrachte Kunta die nächsten Tage damit, den Wagen morgens und mittags zu ölen und zu polieren. Da das gleich neben der Scheune, vor jedermanns Augen geschah, konnte niemand ihm vorwerfen, er habe sich wieder abgesondert. Aber zugleich konnten auch alle sehen, daß er viel zuviel zu tun hatte, um sich etwa mit dem Fiedler oder dem Gärtner, denen er noch nicht verzeihen konnte, was sie über ihn und Bell gesagt hatten, in ein Gespräch einzulassen.
    Sich selbst überlassen, hatte er auch mehr Zeit, sich über seine Gefühle für Bell klarzuwerden. Wann immer er an etwas dachte, das ihm an ihr mißfiel, startete sein Lappen einen wütenden Angriff auf das Leder, fiel ihm jedoch etwas ein, das er an ihr schätzte, bewegte er sich

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