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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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hatte und das nur noch aufgetragen werden mußte, zog an seiner Nase vorbei, aber als sie so dastanden und sich ansahen, stieg ein seltsames Gefühl in ihm auf. Plötzlich ergriff Bell seine Hand, blies gleichzeitig beide Kerzen aus und ging zusammen mit Kunta, der sich wie ein Blatt in einem brausenden Strom fühlte, geschwind durch den Vorhang in die andere Kammer; dort legten sie sich, die Gesichter einander zugewandt, aufs Bett. Bell streckte, ihn unverwandt ansehend, die Hand nach ihm aus, er zog sie an sich und hielt zum erstenmal in den neununddreißig Regen seines Lebens eine Frau im Arm.

Kapitel 65
    »Erst wollte es der Masser gar nicht glauben, wie ich’s ihm erzählt hab«, sagte Bell zu Kunta. »Aber dann hat er gesagt, wir sollen es uns noch ein bißchen überlegen, weil eine Ehe in den Augen von Jesus was Heiliges ist.« Zu Kunta verlor Masser Waller in den folgenden Wochen kein einziges Wort darüber. Eines Abends aber lief Bell zu Kuntas Hütte und berichtete atemlos: »Jetzt hab ich ihm gesagt, daß wir immer noch heiraten wollen, und er sagt, na gut, dann wird’s schon in Ordnung sein.«
    Die Neuigkeit verbreitete sich rasch im ganzen Sklavenquartier. Kunta war es peinlich, daß so viele ihm gratulierten, und er hätte Bell am liebsten erwürgt, weil sie es sogar Missy Anne, als die wieder einmal bei ihrem Onkel zu Besuch war, erzählte, und die natürlich nichts Eiligeres zu tun hatte, als durch die Gegend zu laufen und zu schreien: »Bell heiratet! Bell heiratet!« Und doch wußte er im tiefsten Inneren genau, daß es unrecht von ihm war, sich über diese Art der Ankündigung zu ärgern, denn immerhin war eine Heirat für das Mandinka-Volk das wichtigste Ereignis neben einer Geburt.
    Bell brachte den Masser irgendwie dazu, ihr zu versprechen, den ganzen Sonntag vor Weihnachten, wenn alle arbeitsfrei waren und deshalb an der Hochzeit teilnehmen konnten, auf Kunta – oder den Wagen – zu verzichten. »Ich weiß, daß du keine Hochzeit im Herrenhaus willst, obwohl ich sie hätte kriegen können, wenn ich den Masser gebeten hätte«, sagte sie zu Kunta. »Aber ich weiß, der hat das auch nicht so gern, also seid ihr euch da wenigstens einig.« Sie vereinbarte, daß das Fest auf dem großen Rasen vor dem Herrenhaus dicht neben dem Blumengarten gefeiert werden sollte.
    Alle aus dem Sklavenquartier versammelten sich im Sonntagsstaat, und ihnen gegenüber hatte sich Masser Waller mit der kleinen Missy Anne und ihren Eltern aufgestellt. Aber für Kunta war der eigentliche Ehrengast – der im wahrsten Sinne für die ganze Angelegenheit Verantwortliche – sein Freund aus Ghana, der mit irgend jemandem von Enfield mitgefahren war, nur um dabeizusein. Und als Kunta mit Bell zur Mitte schritt, wandte er sich nach dem qua-qua -Spieler um, und sie wechselten einen langen Blick, ehe Bells beste Freundin, Tante Sukey, die immer singende und betende Wäscherin der Pflanzung, vortrat, um die Zeremonie anzuführen. Nachdem sie alle Anwesenden gebeten hatte, dicht zusammenzurücken, sagte sie: »Jetzt wollen wir alle für die Verbindung, die Gott gleich schließen tut, beten. Ihr sollt drum beten, daß dieses Paar zusammenbleiben kann –«, sie zögerte, »– und daß nie nichts passiert, daß sie voneinander weg verkauft werden. Und betet, daß sie gute, gesunde Kinder kriegen.« Dann legte sie feierlich einen Besenstiel vor Kunta und Bell in das kurzgeschnittene Gras und hieß sie, sich unterzufassen.
    Kunta fühlte sich, als müsse er ersticken. Im Geiste sah er Hochzeiten in Juffure vor sich. Die Tänzer, die Preislieder singenden Sänger, ihm war, als könnte er ihre Gebete und die sprechenden Trommeln hören, die den anderen Dörfern die freudige Nachricht verkündeten. Er hoffte, daß ihm vergeben werde, was er tat, daß Allah trotz der Gebete, die zu ihrem heidnischen Gott gesprochen wurden, wußte, daß Kunta an Ihn und keinen anderen als Ihn glaubte. Erst dann hörte er wie von weit her Tante Sukey fragen: »Seid ihr beide sicher, daß ihr euch heiraten wollt?« Leise sagte Bell neben Kunta: »Ja.« Tante Sukey wandte ihren Blick Kunta zu, und ihre Augen schienen ihn durchbohren zu wollen. Dann fühlte er, wie Bell kräftig seinen Arm drückte, und er zwang sich, seinen Mund zu öffnen, und sagte: »Ja.« Und dann sagte Tante Sukey: »Und jetzt springt ihr alle beide vor den Augen Jesu in das heilige Land der Ehe.« Kunta und Bell sprangen, wie sie es auf Bells Geheiß am Tag zuvor wieder und wieder

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