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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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rief: »AMEN!«
    Bell drehte sich um, watete mit Kizzy ans Ufer zurück und stand mit tropfendem Rock vor Kunta. Er kam sich töricht und blamiert vor, als er erst auf ihre morastigen Füße blickte, ehe er die Augen zu den ihren hob, die feucht waren … von Tränen? Sie gab ihm Kizzy in die Arme.
    »Schon gut«, murmelte er und strich mit rauher Hand liebkosend über Kizzys Gesicht. »Sie ist bloß ’n bißchen naß.«
    »Du bist so gerannt, hast sicher Hunger«, sagte Bell. »Ich hab jedenfalls Hunger. Gehn wir essen. Hab kaltes Huhn und Senfeier mitgebracht, und das süße Batatenmus, von dem du nie genug kriegen kannst.«
    »Klingt nicht schlecht«, meinte Kunta.
    Bell faßte ihn am Arm, und sie gingen langsam zu dritt über die Wiese zu dem Plätzchen, wo ihr Picknickkorb im Schatten eines Walnußbaums auf dem Rasen stand.

Kapitel 74
    Eines Abends sagte Bell zu Kizzy, als sie in der Hütte allein waren: »Du wirst bald sieben! Feldarbeiterkinder müssen da schon längst jeden Tag zum Arbeiten mit raus – wie dieser Noah –, also mach dich von jetzt ab bei mir im Herrenhaus ein bißchen nützlich!« Kizzy blickte unsicher zu Kunta, dessen Meinung über diese Dinge sie mittlerweile kannte. »Du hörst, was deine Mammy sagt«, äußerte er notgedrungen. Bell hatte schon mit ihm darüber gesprochen, und er mußte zugeben, daß es klüger war, Kizzy ein paar Arbeiten zuzuteilen, die Masser Waller in die Augen sprangen, statt sie lediglich weiter als Spielgefährtin für Missy Anne herumlaufen zu lassen. Im Grunde war es Kunta auch ganz recht, daß Kizzy etwas Nützliches lernen sollte, denn in Juffure lehrten alle Mütter ihre Töchter schon von diesem Alter an die Fertigkeiten, die es ihren Vätern später gestatteten, einen guten Brautpreis für sie zu verlangen. Allerdings konnte Bell nicht erwarten, daß er von irgend etwas begeistert war, was Kizzy noch enger mit den toubobs zusammenbrachte – und noch weiter von ihm entfernte, der nach wie vor entschlossen war, ihr seinen Sinn für ererbte Stammeswürde einzupflanzen. Als Bell ein paar Tage später berichtete, Kizzy lerne schon Silberputzen, Dielenschrubben und Möbelpolieren, ja sogar dem Masser das Bett machen, fand Kunta es schwierig, ihren Stolz angesichts solcher Tätigkeiten zu teilen. Aber als er seine Tochter den weißen Emaillenachttopf ausleeren und spülen sah, in den der Masser sich nächtens erleichterte, sträubte sich alles in ihm vor Zorn. Seiner Überzeugung nach gingen damit seine schlimmsten Befürchtungen bereits in Erfüllung.
    Ebenso empörten ihn Bells Ratschläge an Kizzy, wie man ein tüchtiges Hausmädchen wurde. »Hör gut zu, Kind! Nicht jeder Nigger hat die Chance, für feine Weiße wie den Masser zu arbeiten. Das stellt dich von Anfang an über all die andern jungen Dinger. Gewöhn dich jetzt dran, mit mir zusammen aufzustehn, ’ne ganze Weile vor dem Masser. So bleibt man immer vorneweg – ich weiß, was ich sag. Jetzt zeig ich dir, wie du erst den Staub aus Rock und Hosen klopfen mußt, eh du sie zum Lüften auf die Leine hängst. Paß auf, daß du dabei nicht die Knöpfe kaputtmachst –«, und so ging es fort, manchmal stundenlang.
    Kein Abend verging, so schien es Kunta, ohne weitere Belehrungen, oft bis in die lächerlichsten Kleinigkeiten. »Für Schuhwichse«, hörte er, »schüttle ich in einem Steintopf ’n bißchen Zimt und Lampenruß und Öl und Kandis durcheinander. Das bleibt über Nacht stehn und wird dann noch mal ordentlich geschüttelt. Die schwarzen Schuhe vom Masser funkeln davon wie Glas.« Ehe Kunta es nicht mehr aushielt und zur Erholung in die Hütte des Fiedlers flüchtete, bekam er noch einige unschätzbare praktische Winke mit auf den Weg, etwa: »Wenn du einen Teelöffel schwarzen Pfeffer und braunen Zucker mit etwas Sahne verrührst und das auf ’ner Untertasse ins Zimmer stellst, bleiben die Fliegen weg!« Und daß fleckige Tapeten sich am besten durch Abreiben mit zwei Tage alten Brotrinden reinigen ließen.
    Kizzy schien ihre Lektionen aufmerksam zu lernen, selbst wenn Kunta sie ablehnte, denn Bell erzählte ihm nach einigen Wochen, der Masser hätte sich anerkennend über das Eisengestell im Kamin geäußert, das nur so blitzte, seit Kizzy angefangen hatte, es regelmäßig zu putzen.
    Aber wann immer Missy Anne zu Besuch kam, galt es für selbstverständlich, daß der Masser Kizzy für die Dauer ihres Aufenthalts von jeglicher Arbeit beurlaubte. Dann tollten die beiden Mädchen wie gewohnt

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