Wurzeln
versuchte, sich ihm zu entwinden, stieß er mehrmals ihren Kopf auf den Boden und schlug ihr erregt schnaubend ins Gesicht. Davon verlor sie fast die Besinnung. Er griff zwischen ihre Schenkel, zwängte ihre Beine auseinander, versetzte ihr noch einmal einen schweren Schlag und knöpfte dann seine Hose auf. Kizzy empfand einen reißenden Schmerz, dann wurde sie ohnmächtig.
Bei Tagesanbruch schlug sie blinzelnd die Augen auf. Sie schämte sich furchtbar, denn eine junge Schwarze wusch mit einem Lappen und warmem Seifenschaum behutsam ihre Geschlechtsteile. Als Kizzy roch, daß sie sich beschmutzt hatte, und spürte, daß die junge Frau sie auch dort säuberte, schämte sie sich noch mehr und schloß wieder die Augen. Vorsichtig spähende Blicke sagten ihr, daß das Gesicht der Frau so ausdruckslos war, als wäre sie mit Wäschewaschen beschäftigt, als wäre dies nur eine von vielen Arbeiten, die sie in ihrem Leben zu verrichten hatte. Schließlich deckte sie Kizzy mit einem sauberen Tuch zu und blickte sie an. »Hast wohl jetzt keine Lust, viel zu reden«, sagte sie ruhig, nahm Lappen und Eimer und schickte sich an zu gehen, nicht ohne vorher einen leeren Sack über Kizzy zu breiten. »Ich bring dir auch bald was zu essen.« Damit ging sie hinaus.
Kizzy hatte das Gefühl, frei in der Luft zu schweben. Sie wollte sich einreden, sie habe diese unaussprechliche, unvorstellbare Demütigung nicht wirklich erfahren, doch die bohrenden Schmerzen belehrten sie eines anderen. Sie kam sich unrein vor, in ihrem Schamgefühl auf nie wiedergutzumachende Weise verletzt. Jede Bewegung schmerzte, also lag sie still, zog nur den Sack fest um sich, wie um sich vor einer weiteren Gewalttat zu schützen. Die Schmerzen nahmen zu.
Im Geist durchlebte sie noch einmal die vergangenen vier Tage und Nächte. Sie sah die entsetzten Gesichter ihrer Eltern, hörte deren verzweifelte Rufe, als man sie wegschleppte, sah sich mit dem weißen Sklavenhändler ringen, dem der Sheriff von Spotsylvania County sie übergeben hatte. Fast wäre sie ihm entwischt, doch hatte er sie schließlich an einem ihr unbekannten Ort nach langem, erbittertem Feilschen diesem neuen Masser verkauft, der ihr im Dunkeln Gewalt antat. Mammy! Pappy! Wenn man sie nur hören könnte! Doch niemand wußte, wo sie war. Und wußte sie denn, was mit den Eltern geschehen war? Masser Waller verkaufte nie einen Sklaven, es sei denn, »er mißachtet meine Vorschriften«. Aber allein dadurch, daß sie versucht hatten, den Masser davon abzubringen, Kizzy zu verkaufen, mußten sie gegen ein ganzes Dutzend Vorschriften verstoßen haben.
Und Noah? Wie stand es um Noah? War er irgendwo erschlagen worden? Kizzy hörte ihn wieder zornig von ihr fordern, sie solle ihm ihre Liebe beweisen, indem sie ihm Reisepapiere fälschte, die er herzeigen konnte, wenn er von argwöhnischen Weißen angehalten und ausgefragt wurde. Sie sah die grimmige Entschlossenheit in seinen Zügen, als er ihr feierlich versprach, wiederzukommen und sie zu holen. »Im Norden können wir immer beisammenbleiben.« Er brauchte dazu Geld, doch das würde er bald verdienen, denn Arbeit ließe sich gewiß leicht finden. Von neuem begann sie zu schluchzen. Sie wußte, daß sie ihn nie wiedersehen würde. Ihn nicht und auch ihre Eltern nicht. Es sei denn …
Jäh stieg Hoffnung in ihr auf. Schon als kleines Mädchen hatte Missy Anne ihr geschworen, einzig und allein Kizzy sollte ihre Dienerin werden, sobald sie einen gutaussehenden, reichen jungen Masser heiratete, und später ihre Kinder betreuen. War Missy Anne vielleicht schreiend, weinend, bettelnd zu Masser Waller gelaufen, als sie erfuhr, daß man Kizzy weggebracht hatte? Kein Mensch hatte so großen Einfluß auf Masser Waller wie Missy Anne! Konnte es sein, daß Masser Waller schon nach dem Sklavenhändler suchen ließ, um zu erfahren, an wen er sie verkauft hatte? Daß er sie zurückkaufen würde?
Doch ihr Gemüt umdüsterte sich wieder, als ihr klarwurde, daß der Sheriff ganz genau wußte, wo der Sklavenhändler war; man hätte sie längst aufgespürt. Sie fühlte sich jetzt noch verlorener, noch einsamer und verlassener. Sie konnte nicht mehr weinen und stellte Gott anheim, er möge sie vernichten, wenn Er meine, sie verdiene nichts Besseres, weil sie Noah liebte. Zwischen ihren Beinen wurde es wieder feucht. Offenbar blutete sie immer noch. Der Schmerz war ein wenig abgeklungen.
Als die Tür sich wieder knarrend öffnete, sprang Kizzy auf und wich zur Wand,
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