Wurzeln
doch es war nur die Frau. Sie brachte einen dampfenden Topf, Schüssel und Löffel. Kizzy hockte sich auf den Fußboden, die Frau stellte den Topf auf den Tisch, tat etwas Essen in die Schüssel und hielt sie Kizzy hin. Kizzy nahm weder das Essen noch die Frau zur Kenntnis, doch die übersah das und fing an zu reden, als wären sie und Kizzy alte Bekannte.
»Ich bin die Köchin vom großen Haus. Ich heiß Malizy. Wie heißt du?«
Es schien Kizzy albern, nicht zu antworten: »Ich heiß Kizzy, Miss Malizy.«
Die Frau brummte befriedigt. »Redst ja, als ob du gut erzogen wärst.« Sie warf einen Blick auf das unberührte Essen in der Schüssel. »Das Essen bekommt einem nicht, wenn man’s kalt werden läßt.« Miss Malizy redete daher wie Schwester Mandy oder Tante Sukey.
Zögernd nahm Kizzy den Löffel auf und kostete. Dann fing sie langsam an zu essen.
»Wie alt bist du?« fragte Miss Malizy.
»Sechzehn, Ma’am.«
»Dafür kommt der Masser in die Hölle!« empörte sich Miss Malizy im Flüsterton. »Warum soll ich’s dir nicht sagen«, fuhr sie fort und sah Kizzy an, »der Masser ist einer von denen, die auf Niggerfrauen scharf sind, ganz besonders auf junge, wie du eine bist. Mit mir hat er’s auch getrieben. Bin nur neun Jahre älter als du. Wie er geheiratet hat, hat er’s bleiben lassen und mich zur Köchin gemacht – im selben Haus, wo die Missy wohnt, Gott sei Dank!« Miss Malizy zog eine Grimasse. »Bestimmt kommt er dich regelmäßig besuchen.«
Als sie sah, wie Kizzy angstvoll die Hand hob, sagte sie: »Kind, du mußt begreifen, daß du nur ein Niggermädchen bist. Ein Weißer wie unser Masser, der macht, was er will, und da mußt du dich fügen, sonst tut es dir leid. Seinen Willen setzt er durch – so oder so. Und das eine sag ich dir: dieser Masser kann sehr gemein sein, wenn du ihn ärgerst. Kenn überhaupt keinen, der so wütend werden kann wie der. Du denkst dir nichts Böses, aber plötzlich passiert was, was ihn ärgert, und schon« – Miss Malizy schnippte mit den Fingern – »läuft er rot an und spielt verrückt!«
Kizzy überlegte fieberhaft. Sobald es dunkel war und bevor er zurückkam, mußte sie fliehen. Miss Malizy schien ihre Gedanken gelesen zu haben. »Und laß dir ja nicht einfallen wegzulaufen, Kindchen. Er läßt dich mit seinen Bluthunden jagen, und dann bist du noch ärger dran. Beruhige dich. In den nächsten vier, fünf Tagen kommt er sowieso nicht. Er ist mit dem alten Nigger, der seine Hähne abrichtet, zu einem großen Hahnenkampf am andern Ende des Staates unterwegs.« Miss Malizy schüttelte den Kopf. »Dem geht nichts über seine Kampfhähne.«
Sie schwatzte unentwegt weiter. Der Masser, einer von den armen Weißen, hatte um fünfundzwanzig Cents in der Lotterie einen guten Kampfhahn gewonnen und war mit der Zeit einer der erfolgreichsten Züchter geworden.
Kizzy unterbrach sie: »Schläft er nicht mit seiner Missis?«
»Na sicher schläft er mit ihr!« erwiderte Miss Malizy. »Er hat eben Frauen gern. Du wirst sie nicht oft zu Gesicht bekommen, sie hat eine Todesangst vor ihm und lebt ganz für sich. Sie ist viel jünger als er. Ihre Eltern sind auch arme Weiße. Sie war erst vierzehn, als er sie geheiratet hat. Sie weiß, daß ihm mehr an seinen Hähnen liegt als an ihr …« Während Malizy vom Masser, von seiner Frau und den Hähnen erzählte, dachte Kizzy unentwegt daran, wie sie fliehen könnte.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
»Ja, Ma’am«, antwortete sie schnell.
Miss Malizys Stirn glättete sich. »Nun, das mußt du auch. Ich sag dir, wie’s hier ist.« Sie musterte Kizzy. »Woher kommst du überhaupt?«
»Aus Spotsylvania County, Virginia«, antwortete Kizzy.
»Nie davon gehört! Hier sind wir jedenfalls in Caswell County in Nord-Carolina.«
Kizzys Miene zeigte, daß sie keine Ahnung hatte, wo das war. Allerdings hatte sie oft von Nord-Carolina gehört und glaubte zu wissen, daß es irgendwo in der Nähe von Virginia lag.
»Weißt du, wie der Masser heißt?« fragte Miss Malizy. Kizzy sah sie verständnislos an. »Masser Tom Lea …« Sie überlegte einen Augenblick. »Also heißt du jetzt Kizzy Lea.«
»Ich heiße Kizzy Waller!« protestierte Kizzy. Dann aber fiel ihr ein, was ihr wegen Masser Waller, dessen Namen sie trug, alles zugestoßen war, und sie fing an zu weinen.
»Hab dich nicht so, Kindchen!« rief Miss Malizy. »Du weißt doch, daß Nigger den Namen vom Masser kriegen. Niggernamen sind nichts wert, nur daß man sie damit
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