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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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vermieten. Aber jetzt sieht’s ja aus, als ob er’s selber macht.«

Kapitel 85
    Das Gespräch war kurz.
    »Masser, ich krieg ein Baby.«
    »Na und? Versuch bloß nicht, die Kranke zu spielen und dich vor der Arbeit zu drücken!«
    Doch als ihr Bauch anzuschwellen begann, besuchte er sie weniger oft. Wohl oder übel gewöhnte sich Kizzy an die harte Feldarbeit in glühender Sonne. Dabei hatte sie häufig Schwindelanfälle, und morgens war ihr übel. Von dem rauhen Stiel der schweren Hacke bekam sie peinigende Blasen auf beiden Handflächen, die aufplatzten, sich wieder mit Wasser füllten und neuerlich platzten. Sie hackte drauflos und bemühte sich, nicht allzu weit hinter dem erfahrenen, stämmigen schwarzen Onkel Pompey und der drahtigen, etwas helleren Schwester Sarah zurückzubleiben, die beide offenbar nicht recht wußten, was sie von Kizzy halten sollten. Diese rief sich alles ins Gedächtnis, was ihre Mammy vom Kinderkriegen erzählt hatte. Sie hätte alles darum gegeben, die Mutter bei sich zu haben. Bell hatte sie wiederholt vor der Schande gewarnt, die sie erleben würde, »wenn du dich weiter mit diesem Noah rumtreibst und ihn zu nah an dich ranläßt«, sie würde aber gewiß verstehen, daß es nicht Kizzys Schuld war, und ihr sagen, was sie wissen mußte.
    Fast glaubte sie, Bell bekümmert sagen zu hören, was nach ihrer Meinung am tragischen Tod von Masser Wallers Frau und Baby schuld gewesen war: »Das arme Ding war einfach zu schmal gebaut für so ein großes Baby!« War sie breit genug gebaut? Einmal hatten sie und Missy Anne einer Kuh beim Kalben zugesehen und sich flüsternd darüber unterhalten, ob es wohl stimme, daß der Storch die Kinder bringe, wie die Erwachsenen sagten, oder ob die Frauen sie auf die gleiche schauerliche Weise aus ihren Geschlechtsteilen herauspressen müßten?
    Da Miss Malizy und Schwester Sarah von Kizzys prallem Bauch und den strotzenden Brüsten kaum Notiz zu nehmen schienen, meinte Kizzy verbittert, ihnen die Ängste anzuvertrauen sei ebenso vergeblich wie Masser Lea damit zu behelligen. Jedenfalls interessierte ihn ihr Zustand nicht im geringsten, wenn er über die Felder ritt und jeden anbrüllte, der ihm nicht eifrig genug arbeitete.
    Als im Winter 1806 das Baby kam, machte Schwester Sarah die Hebamme. Nachdem Kizzy, wie ihr schien, eine Ewigkeit gestöhnt und geschrien und gefürchtet hatte, es werde sie in Stücke reißen, starrte sie endlich staunend das kleine Wesen an, das Sarah lachend in die Höhe hielt. Es war ein Junge, seine Hautfarbe schien aber ungewöhnlich hell.
    Schwester Sarah beruhigte sie. »Pickaninnies brauchen einen Monat, bis sie ihre richtige Farbe kriegen.« Aber Kizzys Befürchtungen verstärkten sich, wenn sie ihr Kind jeden Tag mehrmals auf seine Farbe hin überprüfte, und als ein ganzer Monat vorbei war, begriff sie, daß die Haut ihres Sohnes bestenfalls hellbraun werden würde.
    Sie erinnerte sich, wie ihre Mammy sich stolz gerühmt hatte: »Auf der Farm unseres Masser gibt es nur schwarze Nigger!« Und sie versuchte, nicht an »sasso-borro« zu denken – so hatte ihr ebenholzschwarzer Vater, die Mundwinkel verächtlich herabgezogen, alle jene bezeichnet, deren Haut mulattenfarbig getönt war. Sie war froh, daß er ihre Schande nicht sehen – und teilen – mußte.
    Aber sie wußte, daß sie ihm, auch wenn er das Kind nicht zu Gesicht bekam, nie wieder unter die Augen treten konnte. Man brauchte ja nur ihre Farbe mit der des Babys zu vergleichen, um zu wissen, was geschehen und wer der Vater war. Sie dachte an Noah und schämte sich noch mehr. »Das ist unsere letzte Gelegenheit, bevor ich fortgeh, Baby. Wie kannst du nur sagen, du willst nicht?« hörte sie ihn sagen. Sie machte sich schreckliche Vorwürfe, daß sie es nicht getan hatte, daß es nicht Noahs Baby war; dann wäre es wenigstens schwarz gewesen.
    »Was ist los mit dir, Kizzy? Ist doch ein schönes Kind!« wunderte sich Miss Malizy eines Morgens, als ihr auffiel, wie traurig Kizzy aussah und wie steif sie ihr Baby hielt, beinahe von sich weg, als koste es sie Mühe, ihr Kind auch nur anzuschauen. In einer plötzlichen Anwandlung verständnisvoller Zuneigung platzte Miss Malizy heraus: »Nimm es nicht so schwer, Kind. Wen kümmert das schon? Das fällt keinem auf. Gibt schon bald ebensoviele Mulatten wie schwarze Nigger. So ist das nun mal …« Sie richtete einen beschwörenden Blick auf Kizzy. »Und der Masser sagt bestimmt nie, daß es sein Kind ist, keine Angst.

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