Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
Vom Netzwerk:
sorgsam und ließ den Pfeil von der Sehne ins Ziel schnellen. Der Büffel war nun schwer verwundet, dadurch aber noch gefährlicher als zuvor. Kinte wich mehrmals den wütenden Sprüngen des Tieres aus, dann aber stellte er sich dessen letztem verzweifeltem Angriff und wich erst im allerletzten Moment beiseite, nachdem er aus nächster Nähe den tödlichen Pfeil abgeschossen hatte. Tot brach der schwere Büffel nieder.
    Kintes durchdringender Pfiff lockte jene Jäger aus ihren Verstecken, die bisher versagt hatten, wo er, Kunta Kinte, sich so glänzend bewährte. Er befahl ihnen, dem Tier Decke und Hörner abzunehmen und von Helfern das Fleisch ins Dorf schaffen zu lassen. Die tief gerührten Dorfbewohner hatten unterdessen im Dorf Häute auf dem Boden wie einen Teppich entrollt, auf dem der berühmte Jäger nun in seine Hütte ging, ohne sich die Füße staubig zu machen. » Simbon Kinte!« rief die sprechende Trommel. » Simbon Kinte!« riefen die Kinder und wedelten mit Blattfächern. Alle umdrängten den mächtigen Jäger und wollten ihn anfassen, damit etwas von seiner Kraft auf sie überginge. Kleine Jungen tanzten um den toten Büffel und führten mit Geschrei und mit Stecken hantierend vor, wie Kunta ihn erlegt hatte.
    Aus der Menge trat ihm nun das kräftigste und anmutigste aller schwärzesten Mädchen entgegen – die Schönste nicht nur von Juffure, sondern von ganz Gambia –, kniete vor ihn hin und bot ihm eine Kalabasse mit kühlem Wasser dar. Kinte war jedoch nicht durstig, er netzte nur seine Finger in der Schale, ihr zuliebe, die nun das Wasser selber trank, Tränen des Glücks in den Augen, womit sie aller Welt zeigte, daß sie liebte.
    Die applaudierende Menge wich auseinander, um dem gealterten, runzligen, grauhaarigen Paar Omoro und Binta Platz zu machen, die am Stock angehumpelt kamen. Der simbon gestattete der greisen Mutter, ihn zu umarmen, während Omoro zuschaute, Stolz im Blick. Die Bewohner von Juffure riefen unterdessen immer wieder »Kinte! Kinte!«, und selbst die Hunde bellten zustimmend.
    Bellte da etwa sein eigener Hund? Rief etwa Sitafa »Kinte! Kinte!«? Kunta riß sich noch rechtzeitig aus seinen Wachträumen, um zu sehen, daß seine Ziegen in ein Feld einbrachen. Sitafa und andere Kameraden halfen das Schlimmste verhüten, Kunta schämte sich aber so sehr, daß ein ganzer Monat verstrich, bevor er sich auf einen neuen Tagtraum einließ.

Kapitel 14
    Es war zwar ungemein heiß, doch die eigentliche, fünf Monate währende Trockenzeit hatte eben erst begonnen. Die Luft zitterte und ließ ferne Objekte größer erscheinen, als sie waren; in den Hütten schwitzten die Menschen, als wären sie auf den Feldern bei der Arbeit. Binta achtete darauf, daß Kunta die Füße mit rotem Palmöl einrieb, bevor er morgens die Ziegen austrieb, doch wenn er nachmittags aus dem Busch zurückkehrte, waren seine Lippen aufgesprungen und die Haut seiner Fußsohlen ebenfalls. So sehr setzte die trockene Hitze ihm zu. Manche Jungen kamen mit blutigen Füßen heim, doch gingen sie morgens, ohne zu klagen, erneut auf die Weide, hinaus in die flimmernde Hitze, die dort im Busch noch schlimmer war als im Dorf.
    Erreichte die Sonne den höchsten Stand, lagen Ziegen, Hunde und Jungen bereits keuchend im Schatten von Büschen, die Jungen viel zu erschöpft, um wie früher Jagd auf kleines Getier zu machen und die Beute zu braten. Sie saßen beieinander und versuchten sich zu unterhalten, doch das große Abenteuer des Ziegenhütens hatte bereits viel von seinem Reiz verloren.
    Man konnte sich nicht vorstellen, daß es nötig sein würde, nachts Feuer zu unterhalten, also das Holz für dieses Feuer zu suchen, doch sobald die Sonne unterging, wurde die Luft so kalt, wie sie bis dahin heiß gewesen war. Nach dem Abendessen hockten die Dorfbewohner sich zum Feuer, die Männer getrennt von Frauen und Kindern, und die Ältesten wiederum getrennt von den übrigen Männern. Die Frauen und die unverheirateten Mädchen saßen getrennt von den Großmüttern, die den Kleinen des ersten kafo an wieder einem anderen Feuer Märchen erzählten.
    Kunta und sein kafo waren zu stolz, um neben Lamin und dessen Gefährten vom ersten kafo zu sitzen, sie hielten sich also weit genug abseits, um mit diesen nicht verwechselt zu werden, konnten zugleich aber den Erzählungen der Großmütter folgen, die sie nach wie vor ungeheuer aufregend fanden. Kunta und seine Freunde fingen auch Fetzen der Gespräche an anderen Feuern auf, doch

Weitere Kostenlose Bücher