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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Immer wieder mußten die Jungen und die Hunde sie zusammentreiben. Erst gegen Mittag, wenn es so heiß wurde, daß sogar die Fliegen den Schatten aufsuchten, kamen die Geißen recht zum Fressen, und die Knaben konnten sich miteinander vergnügen.
    Jetzt waren sie allesamt Scharfschützen mit der Schleuder und mit Pfeil und Bogen, die sie beim Eintritt in den zweiten kafo ebenfalls bekommen hatten. Eine gute Stunde verwandten sie nun darauf, sämtliches Getier abzuschießen, das ihnen vor die Schleuder kam: Hasen, Erdhörnchen, Ratten, Eidechsen. Ein Rebhuhn suchte Kunta eines Tages sogar von seinem Gelege fortzulocken, indem es so tat, als habe es einen beschädigten Flügel. Am frühen Nachmittag häuteten und säuberten die Jungen die Beute des Tages, rieben das Fleisch mit Salz ein, das sie stets bei sich trugen, machten Feuer und brieten sich einen Festschmaus.
    Jeder Tag schien heißer als der vorangegangene. Die Fliegen hörten immer früher auf, die Ziegen zu stechen, und verzogen sich in den Schatten, und die Ziegen knickten mit den Vorderbeinen ein, um an das kurze grüne Gras zu kommen, das zwischen den verdorrten Gräsern sproßte. Kunta und seine Freunde bemerkten die Hitze aber kaum. Schweißüberströmt tollten sie umher, als wäre jeder Tag der aufregendste ihres Lebens. Nach ihrem Festschmaus tobten sie mit vollem Bauch weiter, rangen und liefen, schrien und schnitten Fratzen und hielten abwechselnd ein wachsames Auge auf die Ziegen. Sie spielten Krieger, stachen einander mit Grashalmen ab, die Spieße vorstellten, bis einer zum Zeichen des Friedens ein Grasbüschel hochhielt. Dann kühlten sie ihren kriegerischen Mut, indem sie die Füße mit dem Mageninhalt eines erlegten Kaninchens einrieben. Die Großmütter hatten erzählt, daß richtige Krieger dazu den Mageninhalt eines Lammes verwandten.
    Kunta und seine Freunde spielten gelegentlich auch mit den treuen wuolo- Hunden, welche von den Mandinkas seit Jahrhunderten gehalten wurden und die zu den besten afrikanischen Jagd- und Hütehunden zählten. Mit ihrem wachsamen Geheul hatten die wuolos in dunklen Nächten ungezählte Ziegen und Rinder vor Hyänen bewahrt. Kunta und seine Kameraden hatten aber nicht Hyänen im Sinn, wenn sie Jäger spielten und durch das hohe Gras schlichen, sondern Großwild: Rhinozeros, Elefanten, Leoparden und die mächtigen Löwen.
    Es kam vor, daß ein Junge, der seinen Ziegen von Weideplatz zu Weideplatz folgte, sich plötzlich ganz von den Kameraden abgeschnitten fand. Als dies Kunta zum erstenmal zustieß, trieb er, so rasch es gehen wollte, seine Tiere zusammen und zog mit ihnen Richtung Sitafa, doch nach einer Weile fand er Gefallen an so einer vorübergehenden Einsamkeit, dann konnte er sich ausmalen, daß er ganz allein ein Stück Großwild anpirschte. Dabei dachte er nicht an eine gewöhnliche Antilope, einen Löwen oder Leoparden, sondern er malte sich aus, er stieße auf das gefährlichste aller Tiere – den wütenden Büffel.
    Er träumte, der von ihm angepirschte Büffel habe bereits im ganzen Land so viel Angst und Schrecken verbreitet, daß die besten Jäger ausgeschickt worden waren, ihn zu erlegen, doch hatten sie bislang weiter nichts zustande gebracht, als ihn zu verletzen, und der Büffel hatte einen nach dem anderen tückisch auf die Hörner genommen. Durch die schmerzenden Wunden noch mehr gereizt, hatte der Büffel sich mehrmals auf Bewohner von Juffure gestürzt, die auf den Feldern arbeiteten, und sie getötet. Als der berühmte simbon Kunta Kinte die ferne Trommel vernahm, die ihn anflehte, die Bewohner seines Dorfes vor dem Untier zu retten, befand er sich gerade tief im Wald, damit beschäftigt, ein wildes Bienennest auszuräuchern, um sich am Honig mit neuer Energie zu laben. Doch nun durfte er nicht ablehnen.
    Nicht einmal ein trockener Grashalm wurde von seinen Fußsohlen geknickt, als der berühmte Jäger den wütenden Büffel anpirschte, geleitet von jenem sechsten Sinn, der dem begnadeten Jäger verrät, in welcher Richtung das Wild zieht. Bald schon sichtete er die gesuchte Spur, größere Abdrücke, als er je gesehen hatte. Geräuschlos folgte er dem ätzenden Geruch, der ihn zur frischen Büffellosung führte, und nicht lange, da war der simbon Kinte dank seinem unvergleichlichen Geschick in Sichtweite des riesigen Tieres, das sich im dichten, hohen Gras verborgen hielt und anderen, weniger scharfen Jägeraugen nicht sichtbar geworden wäre.
    Kinte spannte den Bogen weit, zielte

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