Wurzeln
kamen, wo man angeblich das Gold eimerweise aus dem Boden holen konnte.
Schließlich erzählte er von den großen Debatten, die zwischen zwei weißen Männern namens Stephan Douglas und Abraham Lincoln über die Sklaverei ausgetragen wurden.
»Wer von den beiden ist für die Nigger?« fragte Großmutter Kizzy.
»Ich glaub, der Masser Lincoln, jedenfalls hab ich’s so gehört«, sagte Tom.
»Gelobt sei der Herr, und er gebe ihm Kraft!« sagte Kizzy.
Hühner-George lutschte an seinen Zähnen, stand auf, klopfte sich auf den dicken Bauch und meinte zu Tom: »Schau mal, Junge, ich hätt nicht übel Lust, mir die Beine zu vertreten und mir ein bißchen von dem vielen Essen vom Leibe zu laufen. Kommst du mit?«
»Ja, Pappy«, erwiderte Tom fast stammelnd, kaum imstande, seine Überraschung zu verbergen.
Die gleichermaßen überraschten Frauen tauschten bedeutungsvolle Blicke aus, als Vater und Sohn die Straße hinuntergingen. Schwester Sarah sagte bewundernd: »Seht euch nur mal das an. Der Junge ist ja beinah schon so groß wie sein Pappy!« James und Lewis starrten ihrem Vater und ihrem älteren Bruder fast neidisch nach, hätten es sich aber nicht im Traum einfallen lassen, sich ihnen anzuschließen. Die beiden kleinen Mädchen, Klein Kizzy und Mary, hingegen konnten nicht widerstehen, sprangen auf und hüpften vergnügt den beiden Männern hinterher.
Ohne sich nach ihnen umzuschauen, befahl Hühner-George: »Geht mal schnell wieder zurück und helft der Mammy beim Abwaschen!«
»Ach, Pappy!« maulten sie einmütig.
»Los, was hab ich gesagt!«
Tom wandte sich halb um und sagte, entschieden sanfter als Hühner-George: »Habt ihr nicht gehört, was Pappy gesagt hat? Wir sehn uns ja später noch.«
Sie ließen die weinenden Mädchen hinter sich und gingen eine Weile schweigend nebeneinander her, dann sagte Hühner-George fast mürrisch: »Hör mal, du weißt doch, daß ich es nicht bös gemeint hab vorhin, wie ich dich bei Tisch ’n bißchen gefoppt hab.«
»Ach nein, Pappy«, sagte Tom, verwundert, daß sein Vater sich zu entschuldigen schien. »Ich hab doch gewußt, daß es nur Spaß ist.«
Jetzt schlug Hühner-George vor: »Was meinst du, wollen wir nicht mal runtergehn und nach den Hühnern schauen? Frag mich nur, was dieser Nichtsnutz, Klein George, treibt. Vielleicht hat er schon ’n paar Hühner gekocht und aufgegessen, als seine Thanksgiving-Mahlzeit.«
Tom lachte. »Klein George meint’s gut, Pappy, er ist nur einfach ein bißchen langsam. Er hat mir gesagt, daß er die Tiere jetzt bald so gern hat wie du.« Tom schwieg und beschloß dann, seine Gedanken frei auszusprechen. »Na ja, ich glaub, genausogern wie du hat die Hühner sonst gar niemand auf der Welt.«
Hühner-George gab es bereitwilligst zu. »Jedenfalls niemand in unsrer Familie. Ich hab’s mit allen versucht – außer mit dir. Scheint so, als ob all meine andern Jungs ihr Lebtag auf den Feldern schuften wollen, wo sie nichts andres vor der Nase haben als ’n Mauleselarsch!« Er dachte einen Augenblick nach. »Du mit deiner Schmiederei bringst es ja auch nicht grade weit – ist jedenfalls mit der Hahnenkämpferei nicht zu vergleichen –, aber wenigstens ist es Männerarbeit.«
Tom fragte sich, ob sein Vater jemals etwas anderes als sein Hähnezüchten wirklich respektiert hatte. Er war froh, daß es ihm irgendwie gelungen war, sich in das solide und beständige Schmiedehandwerk zu retten. Diesen Gedanken sprach er allerdings weniger deutlich aus. »An Feldarbeit seh ich nichts Schlechtes, Pappy. Wenn niemand Feldarbeit machen will, hätten wir bald nichts mehr zu essen. Ich hab mit der Schmiederei gradeso angefangen wie du mit den Hühnern; ich tu’s eben gern, und der Himmel hat mir die Begabung dazu geschenkt. Es kann nun mal nicht jeder dieselben Sachen mögen.«
»Na, wenigstens sind wir beide vernünftig genug, uns Geld zu verdienen, mit einer Arbeit, die uns Spaß macht«, sagte Hühner-George.
Tom erwiderte: »Du jedenfalls. Ich werd wohl noch zwei Jahre kein Geld verdienen, bis ich die Lehrzeit abgedient hab und für den Masser arbeite – das heißt, wenn er mir ’n bißchen Geld läßt, so wie dir, wenn du die Hahnenkämpfe gewinnst.«
»Klar wird er das!« meinte Hühner-George. »Der Masser ist gar nicht so schlimm, wie deine Mammy und Oma immer sagen. Er hat schon manchmal eine ekelhafte Art. Zugegeben. Du mußt halt lernen, ihn richtig anzupacken, damit er sich von seiner guten Seite zeigt – ihn glauben
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