Wurzeln
sitzen und toubobs beobachten mögen.
Kunta brachte das Gespräch unter seinen Kameraden auf dieses Thema, und jeder hatte etwas beizutragen. Einer erzählte, sein Onkel habe es doch tatsächlich gewagt, einem toubob so nahe zu kommen, daß er ihn riechen konnte: der toubob habe gestunken. Alle hatten gehört, daß die toubobs Menschen rauben und sie fressen. Manche hatten aber auch gehört, die toubobs behaupteten, die Geraubten würden nicht gefressen, sondern müßten vielmehr auf riesigen Pflanzungen arbeiten. Sitafa gab darauf verächtlich die Antwort, die sein Großvater darauf zu geben pflegte: »Lügen des weißen Mannes.«
Kunta fragte bei erster Gelegenheit seinen Vater. »Erzähl doch mal, Papa, wie du und deine Brüder die toubobs auf dem Fluß gesehen habt?« Und er setzte hastig hinzu: »Ich muß Lamin eine richtige Auskunft geben können.« Kunta kam es so vor, als lächele sein Vater ein wenig, doch brummte der nur und schien an diesem Vormittag zum Reden nicht aufgelegt. Kurz darauf forderte er beide Söhne aber ganz beiläufig auf, ihn auf der Wurzelsuche zu begleiten. Der nackte kleine Lamin machte zum erstenmal einen Ausflug mit seinem Vater und platzte fast vor Wonne. Er wußte, daß er dieses Glück seinem Bruder verdankte, und hielt sich fest am Zipfel von dessen dundiko.
Omoro erzählte nun: Seine Brüder Janneh und Saloum hatten nach Absolvierung der Mannbarkeitsrituale das Dorf verlassen, und bald schon hörte man, daß sie zu entfernten, sehenswerten Orten gereist waren. Als sie durch die Trommel erfuhren, daß dem Bruder Omoro ein Knabe geboren war, kehrten sie erstmals ins Dorf zurück. Sie schliefen und rasteten nicht, denn sie wollten unbedingt rechtzeitig zur Namensgebungsfeier eintreffen. Die endlich wieder vereinigten Brüder und kafo- Kameraden umarmten einander herzlich, hatten aber auch traurige Geschichten zu erzählen von niedergebrannten Dörfern, Männern, die von schrecklichen Feuerstöcken getötet, die geraubt, vom Feld entführt, bei der Jagd und auf der Reise verschwunden waren, und immer war toubob schuld.
Omoro erzählte weiter, die Brüder hätten ihn aufgefordert, sie auf einem Erkundungsgang zu begleiten, weil sie ausfindig machen wollten, wo die toubobs waren, was sie vorhatten und wie man sich vor ihnen schützen könnte. Die Brüder folgten nun drei Tage lang dem Ufer des Kamby Bolongo, bis sie entdeckten, was sie suchten. Im Fluß hatten etwa zwanzig toubob- Kähne festgemacht, jeder einzelne groß genug, alle Bewohner von Juffure zu fassen, und ein jeder ausgerüstet mit einem großen weißen Tuch, das an einen senkrecht stehenden Baum gebunden war, so hoch wie zehn Männer. Nahebei war eine Insel und auf der Insel eine Befestigung.
Hier wimmelte es von toubobs und ihren schwarzen Gehilfen, und zwar sowohl innerhalb der Festung als auch auf dem Fluß in Kanus. Mit diesen transportierte man Waren wie Baumwolle, getrocknetes Indigo, Wachs und Häute zu den großen Kähnen. Sie hätten auch gesehen, wie grausam man jene behandelte, die geraubt worden waren und von den toubobs weggebracht werden sollten, und das sei einfach unbeschreiblich.
Omoro verstummte, und Kunta spürte, daß er überlegte, ob er weitersprechen solle. Schließlich fuhr er fort: »Jetzt werden nicht mehr so viele der Unseren weggeschleppt wie damals.« Als Kunta noch ein Baby war, hatte der über diesen Teil Gambias herrschende König von Barra angeordnet, daß keine Dörfer mehr verbrannt und keine Menschen mehr geraubt werden dürften, und so war es denn auch geschehen, nachdem die Soldaten der erzürnten Könige die großen Kähne der toubobs angesteckt und alle darauf befindlichen toubobs getötet hatten. »Seither feuern alle toubob- Schiffe, die in den Kamby Bolongo einfahren, zu Ehren des Königs von Barra neunzehn Schüsse Salut.« Die toubobs bekämen ihre Sklaven jetzt so gut wie gänzlich von den Beauftragten des Königs geliefert, meist Verbrecher oder Schuldner, auch alle, die verdächtigt wurden, etwas gegen den König im Schilde zu führen; oft reichte es bereits, daß man gerüchteweise verleumdet wurde. Es hatte den Anschein, als würden immer dann besonders viele Angeklagte verurteilt, wenn die Schiffe der toubobs in der Flußmündung lagen und Sklaven gekauft werden sollten.
»Aber auch der König kann nicht verhindern, daß immer wieder Menschen aus den Dörfern geraubt werden«, sagte Omoro weiter. »Ihr selber kennt welche, ihr wißt, daß innerhalb der vergangenen
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