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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Matilda mit einer frischgebackenen Torte und einem Krug Limonade. Mit laut vernehmbarer Stimme lud sie Amos ein und bemerkte, wenn sie vielleicht auch nicht so gut wie Klein Kizzy koche, würde Amos sich vielleicht doch ausnahmsweise einmal zu ihnen setzen und an ihrer Unterhaltung teilnehmen. »Sonst sieht man dich, scheint’s, überhaupt nicht!«
    Klein Kizzy wollte aufmucken, wurde aber augenblicklich durch Toms strengen Blick zum Schweigen gebracht, und Amos, dem nun wirklich keine andere Wahl blieb, setzte sich auf den ihm angewiesenen Platz. Während des Familiengeplauders brachte Amos nicht mehr als ein paar bemühte, schüchterne Silben hervor. Nach einer Weile jedoch fand Klein Kizzy, daß es an der Zeit war, der Familie zu zeigen, wieviel interessanter ihr Mann sein konnte, als man möglicherweise annahm.
    »Amos, wieso erzählst du ihnen nicht von den großen Masten mit Draht, die die weißen Leute von der Eisenbahn jetzt überall aufstellen?« Ihr Ton war eher fordernd als bittend.
    Amos zappelte ein wenig und fing dann an: »Also, ich weiß ja eigentlich nicht, wie ich richtig beschreiben soll, was es ist. Aber grad letzten Monat haben sie all den Draht am oberen Ende von ganz hohen Masten durchgezogen, und das geht so weit, wie man nur sehen kann –«
    »Und wozu sollen die Masten und die Drähte nu gut sein?« fragte Matilda.
    »Darauf kommt er gleich, Mammy!«
    Amos wirkte verlegen. »Telegraph. Ich glaub, so wird’s genannt. Ich hab gesehn, wie die Drähte bis in den Bahnhof reinführen, und da hat der Eisenbahner auf seinem Schreibtisch so ’n komisches Ding stehn mit ’m Hebel an der Seite. Manchmal drückt er den mit dem Finger runter, dann klickt es. Aber meistens klickt das Ding von selbst. Für die Weißen ist das ganz aufregend. Jeden Morgen kommt ’ne ganze Menge von ihnen rein, dann stehn sie und warten, daß das Ding wieder klickt. Sie sagen, das sind Nachrichten von überallher, und die kommen alle über den Draht auf den Masten da.«
    »Amos, nun wart mal ’n Moment –« Tom sprach langsam. »Du sagst, es sind Nachrichten, aber ohne Worte, nur mit Klicken?«
    »Jasörr, Mr. Tom, wie so ’ne große Grille. Scheint’s kriegt der Eisenbahner da irgendwie Worte raus, bis es aufhört. Kurze Zeit später geht er dann raus und erzählt den andern Männern, was es gesagt hat.«
    »Na, diese Weißen! Sind aber welche!« rief Matilda. »Weiß Gott!« Sie strahlte Amos fast so stolz und freudig an wie Klein Kizzy.
    Amos, der sich jetzt sichtlich behaglicher fühlte als zuvor, brauchte sich nicht weiter ermutigen zu lassen und berichtete sogleich von einem weiteren Wunder. »Mr. Tom, bist du schon mal in einer Eisenbahn-Re­pa­raturwerkstatt gewesen?«
    Tom entschied bei sich, daß er diesen jungen Mann mochte, der nun endlich entschlossen schien, mit seiner Schwester über den Besen zu springen. Er hatte Manieren, er schien ehrlich und solide zu sein. »Nein, mein Junge, war ich noch nicht«, sagte Tom. »Ich bin mit meiner Frau schon an den Werkstätten vorbeigefahren, aber in den Gebäuden selbst bin ich noch nie nicht drin gewesen.«
    »Na ja, ich hab schon viele Mahlzeiten auf Tabletts vom Hotel zu den Männern in den verschiedenen Werkstätten gebracht, aber ich glaub, wo am meisten gearbeitet wird, ist die Schmiede. Ich hab gesehn, was die da drin machen. Sie biegen die großen verbogenen Eisenbahnwagenachsen grade und machen alle möglichen Teile, die die Züge zum Fahren brauchen. Kräne haben sie, so hoch wie Bäume, die sind oben in der Decke eingeschraubt. Da sind zwölf oder fünfzehn Schmiede, von denen jeder einen Niggerhelfer hat, und Werkzeug haben sie, wie ich noch nie gesehn hab. Und in den Schmiedefeuern könnte man bestimmt zwei oder drei ganze Kühe drin braten, und erst die Ambosse – einer von den Niggerhelfern hat mir erzählt, die sollen sogar bis zu achthundert Pfund wiegen!«
    »Waao!« pfiff Tom sehr beeindruckt durch die Zähne.
    »Wieviel wiegt dein Amboß, Tom?« fragte Irene.
    »So an die zweihundert Pfund, und den kann keiner so leicht nicht heben.«
    »Amos –«, rief Klein Kizzy, »erzähl doch mal von deinem neuen Hotel, wo du arbeitest!«
    »Nu wart aber mal. Ist ja nicht mein Hotel.« Amos grinste geschmeichelt. »Wünschte, es wär meins! Die scheffeln Geld nur so! Na, ihr wißt ja alle, daß das Hotel vor nicht allzu langer Zeit gebaut worden ist. Die Leute sagen, manche sind schon ganz schön ins Schwitzen gekommen, wie der Präsident von der

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