Wurzeln
deshalb so gefallen, weil es uns beiden soviel Spaß macht, Sachen für andre Leute zu machen«, sagte sie eines Abends im Oktober zu Matilda, die bequem in ihrem Schaukelstuhl vor ihrem schwach glimmenden Feuer saß. Nach einer Weile schaute Irene ihre Schwiegermutter verschmitzt von der Seite an. »Wie ich Tom kenne«, sagte sie, »brauch ich dich wohl nicht zu fragen, ob er dir noch von was anderm erzählt hat, was wir machen –«
Es dauerte eine volle Sekunde, bis Matilda begriffen hatte. Dann sprang sie jubelnd auf, umarmte Irene mit aller Kraft, außer sich vor Freude. »Mach zuerst ’n Mädchen, Schatz, damit ich ’ne Puppe zum Küssen und Wiegen hab!«
Während der Wintermonate ihrer fortschreitenden Schwangerschaft beschäftigte sich Irene mit einer Vielzahl von Dingen. Sie schien mit ihren Händen geradezu Wunder zu vollbringen, und alles, was sie machte, brachte Freude sowohl ins Herrenhaus wie in jede Hütte des Sklavenquartiers. Sie steppte Decken aus alten bunten Stoffresten zusammen, sie zog farbige, wohlriechende Kerzen für Weihnachten und Neujahr, sie schnitzte Kämme aus getrocknetem Kuhhorn und Schöpfkellen und Vogelnester aus Kürbissen. Sie bestand auch darauf, daß Matilda ihr die wöchentliche Arbeit des Kochens, Waschens und Bügelns überließ. Und dann legte sie einige ihrer duftenden getrockneten Rosenblätter oder Lavendel zwischen die gefaltete Wäsche, und die weißen und schwarzen Murrays liefen nun zufrieden und allesamt wohlriechend herum.
Im Februar ließ sich Irene auf eine von Matilda angezettelte Verschwörung ein, in die auch der sichtlich amüsierte Ashford eingeweiht wurde. Matilda erläuterte ihren Plan und gebot strengstes Stillschweigen: »Kein Wort darüber zu Tom. Du weißt ja, wie steif und korrekt der ist!« Irene ergriff also die erstbeste Gelegenheit, ihre Schwägerin Klein Kizzy, die sie anbetete, beiseite zu nehmen und ihr zu eröffnen: »Ich hab da was gehört, was du vielleicht wissen solltest. Der Ashford redet so herum und sagt, der Amos vom Eisenbahnhotel wird jetzt viel mit einem hübschen Mädchen gesehn –« Irene hielt einen Moment inne, gerade lange genug, um sich Klein Kizzys eifersüchtig-verkniffenen Blickes zu vergewissern, und fuhr dann fort: »Ashford sagt, das Mädchen lebt auf derselben Pflanzung wie einer von seiner Familie. Er sagt, der Amos geht sie manchmal nachts in der Woche besuchen, weil er dich ja nur am Sonntag sieht, sagt er. Das Mädchen erzählt, es wird nicht mehr lange dauern, dann springt sie mit Amos übern Besen –«
Klein Kizzy schluckte den Köder wie ein hungriger Hecht, und Matilda war nur zu erfreut darüber, denn nachdem sie die Freier ihrer unsteten Tochter eine Weile beobachtet hatte, war sie zu dem Schluß gekommen, daß Amos der solideste und ehrlichste Bursche war, bei dem Klein Kizzy endlich mit ihrer Herumflatterei aufhören und seßhaft werden könnte.
Als Amos am folgenden Sonntagnachmittag auf seinem geliehenen Maulesel treu und brav zu seinem üblichen Stelldichein erschien, sah Irene, daß selbst ihr sonst so gleichmütiger Tom die Stirne runzelte. Noch nie hatte die Familie Klein Kizzy so zuvorkommend erlebt. Sie schien von übersprudelnder Fröhlichkeit zu sein, machte allerlei witzige Bemerkungen und überschüttete den sprachlosen Amos, dem gegenüber sie sich bisher immer gelangweilt gezeigt hatte, mit Nettigkeiten, bedeutungsvollen Blicken und diskreten Andeutungen. Einige solcher Sonntage später beichtete Klein Kizzy ihrer allerbesten Irene, daß sie sich endlich verliebt habe, was Irene natürlich sofort der zutiefst befriedigten Matilda hinterbrachte.
Aber als danach wieder etliche Sonntage vergingen, ohne daß irgend jemand etwas vom »Übern-Besen-Springen« erwähnte, sagte Matilda zu Irene: »Ich bin besorgt. Wird nicht mehr lang dauern, bevor die was machen. Das weiß ich. Hast du nicht gesehn, wie die immer gleich weggehn, jedesmal wenn er kommt, und wie sie die Köpfe zusammenstecken –« Matilda machte eine Pause. »Weißt du, Irene, ich mach mir wegen zwei Sachen Sorgen. Erstens, wenn die Dummheiten machen und es kommt zu was, dann endet die Kleine mit ’nem Kind im Bauch. Zweitens ist der Junge so an die Eisenbahn gewöhnt und sieht so viel Leute reisen, daß ich mich frage, ob die beiden nicht was aushecken und in den Norden fliehen wollen. Was meinst du? Klein Kizzy ist so eine, die zu allem bereit ist, das weißt du ja.«
Als Amos am nächsten Sonntag ankam, erschien
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