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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Eisenbahn mit ihnen gesprochen hat, aber dann hat er Miss Nancy Hillard ausgesucht, damit sie’s leitet. Und die hat mich dann eingestellt, weil sie wußte, wie schwer ich immer für ihre Familie geschuftet hab. Na, jedenfalls hat das Hotel dreißig Zimmer mit sechs Klos im Hinterhof. Die Leute bezahlen ein Dollar pro Tag für ein Zimmer mit Waschschüssel und Handtuch und Frühstück, Mittagessen und Abendessen und einen Sessel auf der Veranda. Manchmal hör ich, wie Miss Nancy sich aufregt, weil die meisten Arbeiter von der Eisenbahn ihre schönen weißen Laken mit lauter Fett- und Rußflecken schmutzig machen, aber dann sagt sie, wenigstens geben die bei ihr ihr ganzes Geld aus, und damit helfen sie, daß es im Dorf und den Werkstätten besser geht!«
    Wieder gab Klein Kizzy ihrem Amos ein Stichwort:
    »Und wie gebt ihr all den Leuten zu essen, die mit der Eisenbahn kommen?«
    Amos lächelte. »Ja, da haben wir vielleicht zu tun! Versteht ihr, jeden Tag kommen diese beiden Personenzüge. Einer fährt nach Osten, der andere nach Westen. Wenn nun der Zugführer in McLeansville oder Hillsboro ankommt, je nachdem, in welcher Richtung er fährt, dann telegraphiert er ans Hotel, wieviel Passagiere und Personal er hat. Wenn der Zug in unsern Bahnhof einfährt – na, ich kann euch sagen, da hat Miss Nancy schon das ganze Zeug heiß und dampfend auf den langen Tischen stehen, und wir helfen dann beim Essenausteilen! Aber was für Essen! Da gibt’s alles. Wachteln und Schinken und Huhn und Rebhuhn und Kaninchen und Rind und alle Arten von Salat und Gemüse, die man sich nur denken kann, und dann noch einen Extratisch mit nichts wie Süßigkeiten und Nachspeisen! Die Leute steigen aus dem großen Zug raus, der wartet dann zwanzig Minuten und läßt ihnen Zeit zum Essen, dann steigen sie wieder ein, die Lokomotive schnauft los, und weiter geht’s!«
    »Die Händler, Amos!« rief jetzt Klein Kizzy, und alle lächelten, weil sie so stolz war.
    »Ach ja«, sagte Amos. »Wenn die ins Hotel kommen, freut sich Miss Nancy immer am meisten. Manchmal steigen zwei oder drei von ihnen aus demselben Zug; ich und noch ’n andrer Nigger, wir rennen ihnen zum Hotel voraus und tragen ihre Musterkoffer. Miss Nancy sagt, das sind richtige Gentlemen, immer sauber und ordentlich und schätzen es, wenn man sie gut bedient, und ich mag sie auch. Manche geben einem ohne weiteres ’n Groschen oder mehr, fürs Koffertragen, Schuhputzen oder alles mögliche andere. Gewöhnlich erfrischen sie sich erst, und dann gehn sie so rum und reden mit den Leuten. Nach dem Essen sitzen sie auf der Veranda, rauchen, kauen Tabak oder gucken einfach oder reden. Am nächsten Morgen nach dem Frühstück rufen sie dann uns Nigger, daß wir ihnen ihre Musterkoffer rüber zur Schmiede bringen, wo man für einen Dollar pro Tag Pferd und Wagen mieten kann, und damit fahren sie los und verkaufen ihre Sachen in allen Läden, die es hier so im County gibt –«
    Der rundliche Klein George rief begeistert aus: »Amos, Junge, ich hab gar nicht gewußt, daß du so ’n tolles Leben führst!«
    »Miss Nancy sagt, die Eisenbahn ist die größte Sache seit dem Pferd«, bemerkte Amos bescheiden. »Sie sagt, bald wird’s noch mehr Strecken geben, und dann wird’s nie mehr wie früher sein.«

Kapitel 108
    Als Hühner-George an die Stelle der Straße kam, wo man zum alten Herrenhaus abbiegen mußte, hielt er sein schweißnasses Pferd an. Er traute seinen Augen nicht. Am Ende des von Unkraut überwucherten Weges lag das Haus von Masser Lea, das einst gelblichbraun gewesen war, jetzt aber, da die Farbe abgeblättert war, schmutziggrau aussah. Einige zerbrochene Fensterrahmen waren mit Lumpen verkleidet, und auf einer Seite schien das jetzt sehr baufällig wirkende Dach fast eingesunken zu sein. Die umliegenden Felder lagen brach, und die Zäune wiesen große Lücken auf.
    Bestürzt und verwirrt ließ er die Zügel wieder frei und ritt weiter durch das kniehohe Unkraut. Als er näher kam, sah er die große, bedenklich schiefe Veranda und die baufällige Treppe. Die Dächer der Sklavenhütten waren eingefallen. Keine Katze, kein Hund oder Huhn kam ihm zu Gesicht, als er sich vom Pferd gleiten ließ und es am Zaum am Haus entlang in den Hinterhof führte.
    Ebensowenig war er auf den Anblick der dicken alten Frau gefaßt, die über einen Holzstumpf gebeugt saß und Salatblätter zupfte; sie warf die Stiele auf den Boden und die Blätter in eine stark angeschlagene rostige

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