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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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auch noch einmal mit der ganzen Familie, als er ihnen erzählte, wie ein Stallbursche in Melville Township sich in dieser heiklen Frage verhalten hatte. Auf die Frage seines Masser, auf welcher Seite er im Falle eines Krieges sein würde, hatte er geantwortet: »Masser, habt Ihr mal gesehn, wie zwei Hunde sich um einen Knochen streiten? Genauso ist es. Wir Nigger sind der Knochen.«
    Weihnachten und Neujahr kamen und gingen vorüber, und kaum jemand in ganz Alamance County dachte in diesem Jahr ans Feiern. Alle paar Tage kamen Toms Kunden mit alarmierenden Nachrichten über weitere Südstaaten, die sich der Sezession angeschlossen hatten – zuerst Mississippi, dann Florida, Alabama, Georgia und Louisiana, sie alle im Januar 1861, und am 1. Februar folgte noch Texas. Sie schlossen sich zu einer südstaatlichen »Konföderation« zusammen, die einen Mann namens Jefferson Davis zu ihrem Präsidenten wählte.
    »Dieser Masser Davis und ’ne ganze Menge von den andern südstaatlichen Senatoren und Kongreßmännern und hohen Tieren in der Armee haben ihre Posten aufgegeben und kommen in den Süden zurück«, berichtete Tom der Familie.
    »Tom, nach dem, was wir gehört haben, ist die Sache schon viel weiter«, rief Matilda. »Da ist heute ein Mann gekommen und hat dem Masser erzählt, der alte Richter Ruffin fährt morgen von Haw River extra nach Washington zu einer großen Friedenskonferenz!« Einige Tage später jedoch hörte Tom von seinen Kunden in der Schmiede, daß Richter Ruffin traurig zurückgekehrt war, weil die Friedenskonferenz fehlgeschlagen und in eine hitzige Debatte zwischen den jüngeren Delegierten des Nordens und des Südens ausgeartet war. Ein schwarzer Kutscher berichtete Tom, er habe gerade aus erster Hand vom Portier des Gerichtsgebäudes von Alamance County gehört, daß eine Massenversammlung von bald vierzehnhundert weißen Männern aus der Gegend stattgefunden habe – Masser Murray war auch dabei, wie Tom sich denken konnte – und daß Masser Holt, der ehemalige Besitzer von Irene und andere ebenso wichtige Persönlichkeiten geschrien hätten, der Krieg müsse unbedingt vermieden werden –, dann hätten sie mit den Fäusten auf die Tische geschlagen und alle, die zu den Konföderierten übergingen, »Verräter« genannt. Der Portier hatte ihm auch erzählt, daß man einen Masser Giles Mebane gewählt hatte, Alamance County bei der staatlichen Sezessionskonferenz zu vertreten und ihr den Vier-zu-eins-Entscheid zugunsten des Verbleibens in der Union zu überbringen.
    Die Familie hatte es schwer, sich aus all den von Tom und Matilda aufgeschnappten Informationen ein klares Bild zu machen. So hieß es an einem einzigen Tag im März, daß Präsident Lincoln seinen Amtseid abgelegt hatte, daß bei einer Riesenfeier in Montgomery, Alabama, die Flagge der Konföderierten enthüllt worden war und daß Jeff Davis, der Präsident der Konföderation, den afrikanischen Sklavenhandel für ungesetzlich erklärt hatte. Da die Familie zu wissen glaubte, wie er zur Frage der Sklaverei stand, konnten sie sich diesen Schritt nicht erklären. Ein paar Tage später erreichte die Spannung einen Höhepunkt, als in Nord-Carolina dringlich 20000 Freiwillige zum Militärdienst unter die Fahnen gerufen wurden.
    Am frühen Morgen des 12. April 1861, eines Freitags, war Masser Murray zu einer Versammlung in die Stadt Mebane gefahren, und Lewis, James, Ashford, Klein Kizzy und Mary arbeiteten auf den Feldern und pflanzten junge Tabaksetzlinge, als sie auf der Straße eine ungewöhnlich große Anzahl von weißen Reitern im vollen Galopp gewahrten; einer dieser Reiter verlangsamte für einen Moment sein Tempo, schüttelte wütend die Faust in ihre Richtung und rief ihnen etwas zu, was sie nicht verstanden. Daraufhin sandte Virgil Klein Kizzy eiligst zum Haus, damit sie Tom, Matilda und Irene berichte, daß sich etwas außergewöhnlich Wichtiges zugetragen haben müsse.
    Der sonst so ruhige Tom verlor die Nerven, als Kizzy ihm nicht mehr sagen konnte. » Was hat er euch zugeschrien?« fragte er immer wieder. Aber sie konnte nur wiederholen, daß der Reiter zu weit entfernt gewesen war und niemand seine Worte klar hatte unterscheiden können.
    »Ich werd mal lieber den Maulesel nehmen und selber rausfinden, was los ist«, sagte Tom.
    »Aber du hast doch keinen Passierschein!« rief Virgil ihm zu, als er den Zufahrtsweg hinunterritt.
    »Muß es drauf ankommen lassen!« rief Tom zurück.
    Auf der Hauptstraße herrschte reger

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