Wurzeln
Haken ist nur, daß die, die dagegen sind, nicht hier in unsrer Gegend leben«, sagte Virgil, und Ashford, der ausnahmsweise einmal mit jemandem einer Meinung war, nickte ihm zu.
»Wenn Ashford recht hat und es gibt einen Kampf, dann könnt’s schon sehr schnell ziemlich anders werden hier«, sagte Tom.
Als Masser und Missis Murray Anfang Dezember eines Abends in ihrem Einspänner von einem Abendessen bei einem ihrer Nachbarn zurückgekehrt waren, rannte Matilda vom großen Haus zu Toms und Irenes Hütte. Sie war ganz aufgeregt.
»Was heißt Sezession?« fragte sie, und als die beiden mit den Schultern zuckten, fuhr sie fort: »Der Masser sagt nämlich, das hat Süd-Carolina grad eben gemacht. Und so wie er es gesagt hat, klang es, wie wenn sie aus den Vereinigten Staaten austreten.«
»Wie können sie denn aus einem Land austreten, wo sie drin sind?« fragte Tom.
»Die Weißen kriegen alles fertig«, sagte Irene.
Was Tom ihnen nicht erzählt, aber den ganzen Tag über gehört hatte, waren die wütenden Beteuerungen seiner weißen Kunden, lieber »bis zu den Knien im Blut zu waten«, als dem Norden gegenüber auf etwas, das sie »Staatsrechte« nannten, und auf ihr Recht, Sklaven zu besitzen, zu verzichten.
»Ich will euch ja nicht bange machen«, sagte er zu Matilda und Irene, »aber ich glaub wirklich, es gibt Krieg.«
»Oh, mein Gott! Wo wird denn der gemacht, Tom?«
»Mammy, dafür gibt’s keine besonderen Plätze wie für Picknick oder Betversammlungen!«
»Na, ich hoffe nur, er kommt nicht in diese Gegend!«
Irene sagte spöttisch: »Ihr werdet mir doch nicht erzählen, die Weißen würden sich wegen den Niggern gegenseitig totschlagen.«
Aber in den folgenden Tagen wuchs mit allem, was Tom in der Schmiede hörte, seine Überzeugung, daß er mit seiner Vermutung recht hatte. Einiges erzählte er seiner Familie, anderes wieder nicht, um sie nicht unnötig in Panik zu versetzen, und er selbst war sich auch noch nicht ganz sicher, ob er den heraufziehenden Ereignissen mit Schrecken oder Hoffnung entgegensah. Er spürte jedoch wachsende Unruhe in seiner Familie und registrierte das immer stärker werdende Kommen und Gehen auf der Hauptstraße. Weiße Männer eilten zu Pferd oder in Kutschen ständig an der Pflanzung vorüber, und sie schienen immer eiliger und immer zahlreicher zu werden. Fast jeden Tag bog irgend jemand in den Zufahrtsweg ein und verstrickte Masser Murray in ein erregtes Gespräch in seinem Haus. Matilda wandte jede List an, um immer gerade dort zu fegen und Staub zu wischen, wo sie etwas erlauschen konnte. Langsam gewann die Familie nach alldem, was im Laufe der letzten Wochen den angstvollen und wütenden Gesprächen der Weißen zu entnehmen gewesen war, bei ihren abendlichen Diskussionen die Zuversicht, daß sie – falls es zum Krieg kommen sollte und die »Yankees« ihn gewännen –, möglicherweise wirklich ihre Freiheit erlangen könnten.
Immer mehr von den Schwarzen, die Tom Schmiedearbeit brachten, berichteten, daß ihre Herrschaft zusehends argwöhnischer und verschlossener wurde, in Anwesenheit ihrer Sklaven nur noch flüsterte oder Worte nur buchstabierte.
»Führen die sich im großen Haus auch so komisch auf, wenn du da bist, Mammy?« fragte Tom Matilda.
»Nicht so ’n Flüstern oder Buchstabieren oder so was«, sagte sie. »Aber jedesmal, wenn ich ins Zimmer komm, kann ich sicher sein, daß sie plötzlich anfangen, über die Ernte oder ’ne Abendgesellschaft zu reden.«
»Für uns wird’s das beste sein«, meinte Tom, »wenn wir uns so dämlich wie möglich stellen und so tun, wie wenn wir überhaupt von nichts gehört haben.«
Matilda zog es in Betracht – entschied sich aber dagegen, und eines Abends, nachdem sie den Murrays die Nachspeise serviert hatte, stürzte sie noch einmal ins Speisezimmer und rief händeringend: »Ach, Gott, Masser und Missis, ich bitte um Verzeihung, aber ich muß es sagen. Meine Kinder und ich, wir hören all dieses Gerede jetzt, und wir haben so eine furchtbare Angst vor den Yankees; wir hoffen nur, Ihr werdet uns schützen, wenn’s schlimm wird.« Mit Genugtuung bemerkte sie die Freude und Erleichterung auf den Gesichtern der Murrays.
»Du hast ganz recht, wenn du Angst hast, diese Yankees sind ganz gewiß nicht eure Freunde!« sagte Missis Murray.
»Aber mach dir keine Sorgen«, sagte der Masser beschwichtigend, »es wird gar nicht erst dazu kommen.«
Selbst Tom mußte lachen, als Matilda die Szene beschrieb. Und er lachte
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