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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Knaben Ausschau zu halten. Omoro winkte zurück, und der Mann beugte sich sogleich über seine Trommel, die nun laut ankündigte: »Omoro Kinte und sein erstgeborener Sohn.«
    Kunta spürte kaum noch den Boden unter den Füßen. Am Baum der Reisenden, der bald in Sicht kam, hingen unzählige Baumwollstreifen, und der ursprünglich einbahnige Pfad war hier schon stark verbreitert worden – was bewies, daß in diesem Dorf ein lebhaftes Kommen und Gehen herrschte. Die tan-tangs wurden lauter, Tänzer in Kostümen aus Baumrinde erschienen grunzend und schnaufend, sie hüpften und wirbelten den anderen voran zum Dorf hinaus, den sehnlich erwarteten Gästen entgegen. Begleitet vom tiefen Dröhnen der tobalo -Trommel, drängten sich zwei Gestalten durch die Menge, Omoro warf sein Bündel ab und lief ihnen entgegen, und Kunta rannte ebenfalls. Der Vater umarmte immer wieder abwechselnd die beiden Männer, die endlich fragten: »Und das also ist unser Neffe?« Sie hoben ihn hoch und drückten ihn an sich und gaben laut ihrer Freude Ausdruck. Man brachte die beiden Ankömmlinge im Triumph ins Dorf, wo sie noch einmal mit viel Jubel begrüßt wurden, doch Kuntas Aufmerksamkeit galt ausschließlich den Onkeln. Sie waren seinem Vater ähnlich, gewiß, aber kleiner, untersetzter, auch muskulöser. Der Ältere, Onkel Janneh, schien aus zusammengekniffenen Lidern immer in die Ferne zu blicken, und beide bewegten sich mit der Flinkheit von Tieren. Auch redeten sie sehr viel schneller als Omoro und setzten ihm mit tausend Fragen nach Juffure und Binta zu.
    Saloum legte schließlich Kunta die Hand auf den Kopf und sagte dazu: »Seit der hier seinen Namen bekommen hat, waren wir nicht mehr beisammen. Und seht ihn euch doch nur an! Wie viele Regen zählst du jetzt, Kunta?«
    »Acht Regen.«
    »Nun, dann wird man ja bald einen Mann aus dir machen«, rief der Onkel.
    Das Dorf war von einem hohen Bambuszaun eingefaßt, und davor waren Dornbüsche aufgehäuft, in denen spitze Pfähle verborgen waren, damit sich räuberische Tiere oder Menschen an ihnen verletzen sollten. Kunta nahm davon aber nichts wahr, bemerkte auch kaum die wenigen gleichaltrigen Knaben. Er hörte kaum den Lärm, den Papageien und Affen in den Bäumen machten, auch nicht das Gebell der wuolo- Hunde, die sich zwischen den Menschen drängten, als die Onkel Omoro und ihn im Dorf herumführten. Saloum erklärte, daß zu jeder Hütte ein eigener Hof gehöre und daß die Vorratsbehälter für getrocknete Nahrungsmittel unmittelbar über den Kochstellen errichtet worden seien, weil Reis, Hirse und Mais so durch den Rauch von Ungeziefer frei gehalten würden.
    Kunta wurde fast schwindlig davon, daß es hier und da immer wieder Neues und Bewundernswertes zu sehen gab, und es verwirrte und faszinierte ihn, alle möglichen Dialekte sprechen zu hören, die er kaum oder gar nicht verstand. Kunta kannte die Sprache der anderen Stämme nicht, auch nicht die der benachbarten, ebensowenig wie die anderen – ausgenommen Gelehrte wie der arafang – Mandinka verstanden. Immerhin hatte er sich oft genug in der Nähe des Baumes der Reisenden herumgedrückt, um die einzelnen Stämme dem Namen nach zu kennen und einiges von ihren besonderen Merkmalen zu wissen. So etwa zeichneten die Fula sich durch ovale Gesichter aus, durch langes Haar und schmale Lippen, schärfere Züge und waagrechte Narben an den Schläfen. Die Wolof waren tiefschwarz und sehr zurückhaltend, die Serahuli waren von kleinem Wuchs und hellhäutiger. Die Jolas konnte man gar nicht verwechseln, die hatten Narben am ganzen Körper, und ihre Miene wirkte jederzeit kriegerisch.
    Kunta erkannte Angehörige aller Stämme in diesem neuen Dorf, aber die, die er nicht kannte, waren in der Mehrzahl. Manche feilschten lärmend mit Händlern um ihre Ware. Ältere Frauen priesen lautstark gegerbte Häute an. Jüngere Frauen suchten den Preis von Haarstücken und Perücken herunterzuhandeln. Wo Kola feilgehalten wurde, drängten sich diejenigen, deren restliche Zähne bereits vom Kauen der Kolanuß rot gefärbt waren.
    Omoro wurde im Gedränge mit allen möglichen bedeutenden Fremden bekannt gemacht, und Kunta bewunderte seine Onkel dafür, daß sie fremde Sprachen so fließend beherrschten. Da er wußte, daß er den Vater und die Onkel jederzeit wiederfinden könnte, ließ Kunta sich in der Menge treiben und fand sich bald zwischen Musikanten, die für alle Tanzlustigen aufspielten. Dann kostete er von gebratener Antilope, Rindfleisch

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