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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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weder Vorräte noch Energie. »Ohne unsere jungen Leute werden wir jetzt aussterben.« Omoro hörte aufmerksam zu. Dann sagte er bedächtig: »Das Dorf meiner Brüder, das vier Tagereisen entfernt ist, wird euch gerne aufnehmen, Großväter.«
    Darauf schüttelten alle ablehnend den Kopf, und der Älteste sagte: »Dies ist unser Dorf. Nirgendwo gibt es eine Quelle mit so wohlschmeckendem Wasser. Nirgendwo geben die Bäume angenehmeren Schatten. Nirgendwo sonst riecht es aus den Küchen so erfreulich nach den Speisen, die unsere Frauen bereiten.«
    Die Alten entschuldigten sich für ihre unzulängliche Gastfreundschaft, doch Omoro versicherte ihnen, er und sein Sohn schliefen besonders gern unter freiem Himmel. Und wirklich, nachdem sie ihr Brot mit den Alten geteilt hatten, legte Kunta sich auf einem Lager aus federnden grünen Zweigen zur Ruhe und bedachte alles, was er da gehört hatte. Angenommen, das gleiche Los wäre Juffure zugedacht und alle, die er kannte, wären tot oder geraubt: Omoro und Binta, Lamin, er selber, der Brotbaum angekohlt, die Höfe übersät mit Abfällen. Kunta dachte schnell an etwas anderes.
    In der Dunkelheit schrie plötzlich ein Tier, das im Wald von einem anderen gerissen worden war, und Kunta mußte gleich an Menschen denken, die andere Menschen fangen. Auch hörte er in der Ferne das Heulen der Hyänen, doch das war er gewohnt, denn die heulten jede Nacht, einerlei ob sie hungrig waren oder satt, ob es regnete oder heiß war. Als er endlich einschlief, fand er das vertraute Geheul beinahe tröstlich.

Kapitel 19
    Kunta erwachte beim ersten Tageslicht und sprang mit einem Satz von seinem Lager, denn da stand eine Greisin, die von ihm wissen wollte, warum er nicht endlich die Nahrung bringe, um die sie ihn vor zwei Monden ausgeschickt hatte? Omoro antwortete sanft anstelle seines Sohnes: »Wir würden es dir gerne sagen, wenn wir es nur wüßten, Großmutter.«
    Sie wuschen sich und aßen etwas, dann verließen sie das Dorf, und Kunta mußte dabei an eine alte Frau in Juffure denken, die jeden Vorüberkommenden anhielt, scharf ansah und dann sagte: »Ein Glück, morgen kommt meine Tochter.« Jeder wußte, daß die Tochter vor vielen Regen verschwunden und daß der weiße Hahn auf dem Rücken liegend gestorben war, doch jeder, der so angeredet wurde, erwiderte sanftmütig: »Ganz recht, Großmutter, morgen kommt sie.«
    Ehe die Sonne ihren höchsten Punkt erreichte, bemerkten sie vor sich auf dem Pfad einen einsamen Wanderer. Am Vortag waren sie mehrmals Reisenden begegnet, mit denen sie einen Gruß tauschten, dieser aber, ein schon älterer Mann, war auf eine Unterhaltung aus. Er deutete in die Richtung, aus der er kam, und bemerkte: »Kann sein, ihr trefft einen toubob. « Kunta hielt die Luft an. »Viele Männer tragen seine Lasten.« Der Alte fuhr fort, der toubob habe ihn angehalten, aber nur wissen wollen, wo der Fluß entspringe. »Ich sagte, der Fluß entspringt, wo die Entfernung zu seiner Mündung am größten ist.«
    »Und er hat dir nichts Böses getan?« fragte Omoro.
    »Nein, er tat sehr freundlich, aber die Katze verspeist trotz allem die Maus, mit der sie spielt.«
    »Sehr wahr«, bestätigte Omoro.
    Kunta hätte gern gefragt, was das für sonderbare toubobs wären, die nicht auf der Suche nach Menschen, sondern nach dem Ursprung eines Flusses waren, doch Omoro hatte sich bereits von dem Alten verabschiedet und seinen Weg fortgesetzt, wie üblich ohne sich nach Kunta umzusehen. Kunta war froh darüber, denn der Vater hätte nur gesehen, daß Kunta seine Last mit beiden Händen im Gleichgewicht halten mußte, während er dem Vater nachlief. Kuntas Fußsohlen bluteten jetzt, er wußte aber, daß es unmännlich gewesen wäre, davon Notiz zu nehmen, geschweige denn, es dem Vater zu sagen.
    Aus dem gleichen Grund kämpfte er auch seine Angst nieder, als sie etwas später hinter einer Wegbiegung auf eine Löwenfamilie stießen, die nahe dem Pfad auf einer Wiese lagerte: ein Löwe, seine prächtige Frau und zwei Jungtiere. Kunta kannte Löwen nur als furchterregende, schleichende Raubkatzen, die eine Geiß zerfleischten, wenn die sich beim Grasen zu weit von der Herde entfernte.
    Omoro verlangsamte den Schritt und sagte leise, ohne die Blicke von den Tieren zu wenden, als spüre er die Furcht seines Sohnes: »Um diese Tageszeit jagen und fressen sie nur, wenn sie sehr hungrig sind, und diese da sind richtig fett.« Immerhin hielt er eine Hand am Bogen, während sie an den

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