Wurzeln
und dem Erdnußmus, mit dem die Frauen des Dorfes die unter dem Affenbrotbaum aufgestellten Tafeln reichlich versorgten. Kunta fand die Speisen schmackhaft, aber doch nicht so delikat wie die Gerichte, die am Erntefest in Juffure aufgetragen wurden.
Am Brunnen standen mehrere Frauen beieinander und schienen sich sehr angeregt zu unterhalten. Kunta gesellte sich ihnen unauffällig zu und hörte, daß eine halbe Tagesreise von hier ein berühmter marabout samt Gefolge rastete; er kam in der Absicht, diesem Dorf Ehren zu erweisen, da es gegründet worden war von den Nachfahren des berühmten heiligen Mannes Kairaba Kunta Kinte. Wieder machte es Kunta ungeheuer stolz, daß man von seinem Großvater so ehrfürchtig sprach. Die Frauen, die ihn nicht erkannten, redeten dann von seinen Onkeln. »Zeit, daß sie aufhören umherzureisen, Frauen nehmen und Söhne haben«, sagte eine. »Es wird ihnen nur sehr schwer werden, eine Frau zu nehmen, denn alle reißen sich um sie«, meinte eine andere.
Als Kunta sich endlich etwas beklommen einigen gleichaltrigen Knaben näherte, war es beinahe dunkel. Sie schienen aber nicht übelzunehmen, daß er sich bislang an die Erwachsenen gehalten hatte, vielmehr drängte es sie offenbar, ihm ausführlich zu schildern, wie es zur Gründung dieses Dorfes gekommen war. »Deine Onkel haben sich auf ihren Reisen mit unseren Familien angefreundet, und alle waren aus diesem oder jenem Grund mit ihrem Dasein unzufrieden. Mein Großvater zum Beispiel hatte nicht genug Platz für seine Kinder und Enkel, und bei denen da« – er wies auf einen anderen Jungen – »wollte der Reis nicht richtig wachsen.«
Kunta erfuhr nun, daß seine Onkel allen ihren Freunden gesagt hatten, sie wüßten den idealen Platz für ein neu zu errichtendes Dorf, und nicht lange, da machten sich die Freunde von Janneh und Saloum samt Ziegen, Hühnern, Gebetsteppichen und aller ihrer sonstigen Habe auf den Weg.
Bald brach die Dunkelheit an, und überall im Dorf wurden Feuer entfacht, zu denen Kuntas neue Freunde im Lauf des Tages Äste und Scheite herbeigetragen hatten. Man sagte ihm, aus Anlaß der Festlichkeiten würden die Einwohner bunt gemischt mit den Besuchern um ein großes Feuer verteilt sitzen, während auch hier, dem Brauch folgend, sonst Frauen und Kinder von den Männern getrennt an eigenen Feuern saßen. Sobald der alimamo die Versammelten gesegnet hätte, sollten Janneh und Saloum zwischen die Sitzenden treten und von ihren Reisen und Abenteuern berichten. Unmittelbar bei ihnen würde sich der älteste aller Besucher halten, der Dorfälteste von Fulladu weiter stromaufwärts, und alle an seiner Weisheit teilhaben lassen. Angeblich war er über hundert Regen alt.
Kunta fand seinen Vater gerade noch rechtzeitig am Feuer, denn schon sprach der alimamo das Gebet. Danach herrschte minutenlang Schweigen. Man hörte die Grillen zirpen, und der Rauch des Feuers huschte über die Gesichter der Versammelten. Endlich ergriff der Älteste mit einem Gesicht wie Leder das Wort: »Hunderte von Regen früher, als die Erinnerung zurückreicht, gelangte über das große Wasser ein Märchen, dem zufolge in Afrika ein Berg stehen soll, ganz aus Gold. Dieses Berges wegen kamen die ersten toubobs nach Afrika.« Einen Berg von Gold habe es zwar nicht gegeben, doch seien unvorstellbare Mengen Goldes aus den Flußbetten gewaschen und aus tiefen Gruben im nördlichen Guinea und später in den Wäldern Ghanas gefördert worden. »Der toubob hat nie erfahren, woher das Gold stammte, denn was ein toubob weiß, wissen bald alle.«
Danach sprach Janneh. So kostbar wie Gold sei an manchen Orten Salz. Er und Saloum hätten mit eigenen Augen gesehen, wie Gold gegen Salz im gleichen Gewicht getauscht worden sei. Man finde Salz in dicken Schichten an einigen Orten unter ganz bestimmten Arten von Sand, während anderswo salzhaltiges Wasser nach dem Verdunsten einen Salzbrei hinterlasse, der getrocknet und dann ebenfalls zu Blöcken zerteilt werde.
Der Alte bemerkte dazu: »Es hat einmal eine ganze Stadt aus Salz gegeben, Taghaza, deren Bewohner Häuser und Moscheen aus Salzblöcken errichteten.«
Eine Greisin, die Kunta an Großmutter Nyo Boto erinnerte, wagte zu fordern: »Erzähle von den sonderbaren buckligen Tieren, die du uns beschrieben hast.«
Man lehnte sich gespannt vor. In der Ferne heulte eine Hyäne. Nun war Saloum an der Reihe zu berichten. »Diese Tiere werden Kamele genannt, und sie leben in einer unendlichen Sandwüste. Sie
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