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Wurzeln

Wurzeln

Titel: Wurzeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Haley
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Tieren vorübergingen, und Kunta hielt die Luft an. Er und die Löwen musterten einander, bis sie sich aus den Augen verloren.
    Wenn ihm die Beine nicht so entsetzlich weh getan hätten, hätte er noch eingehender über die Löwen und auch über den toubob da weiter vorne nachgedacht. Als der Abend kam, hätte er sich auch unter zwanzig Löwen zur Ruhe gelegt an der Stelle, die Omoro auswählte. Kaum hatte er sich auf dem Lager aus Zweigen ausgestreckt, da schlief er auch schon fest, und ihm schien, daß nur Minuten vergangen waren, als der Vater ihn im Frühlicht wachrüttelte. Zwar war ihm zumute, als ob er kein Auge zugetan hätte, doch schaute er dem Vater bewundernd zu, als dieser zwei Hasen abbalgte und zum Braten vorbereitete, die er über Nacht in Schlingen gefangen hatte. Als er am Feuer hockte und das wohlschmeckende Fleisch verzehrte, fragte er sich, wo der Vater und die anderen Männer all das gelernt haben mochten, verbrachten doch Kunta und seine Kameraden ganze Stunden damit, ihr Kleinwild zu erbeuten und zuzubereiten.
    Als der Marsch begann, merkte er, daß ihm so gut wie jeder Knochen im Leibe schmerzte, doch stellte er sich vor, dies sei bereits Teil seiner Ausbildung zum Manne, und er wollte der letzte sein, sich Schmerzen anmerken zu lassen. Als er kurz vor der Mittagsrast in einen scharfen Dorn trat, unterdrückte er einen Schmerzensschrei, doch hinkte er nun und fiel so weit zurück, daß Omoro ihm erlaubte, während der Mahlzeit am Wegrand zu rasten. Auch rieb er eine schmerzlindernde Paste auf die wunde Stelle, doch kaum hatten sie wieder den Weg unter den Füßen, stellten die Schmerzen sich mit aller Macht wieder ein, und die Wunde blutete nun stark. Allerdings füllte sie sich bald mit Staub und Lehm und hörte auf zu bluten, und das unermüdliche Gehen stumpfte den Schmerz ab, so daß Kunta mit seinem Vater Schritt halten konnte. Er hätte es nicht mit Gewißheit sagen können, doch kam es ihm so vor, als ob der Vater das Tempo verlangsamt hätte. Als man zur Nacht rastete, war die Wunde am Fuß geschwollen und sah häßlich aus, Omoro aber legte einen weiteren feuchten Verband auf, und am Morgen war alles wieder gut, jedenfalls so weit, daß Kunta ohne großen Schmerz auftreten konnte.
    Er bemerkte nun erleichtert, daß man an diesem, dem vierten Tag das Land der Dornen und Kakteen hinter sich ließ und in Buschgelände geriet, das dem bei Juffure ähnelte. Bäume und blühende Sträucher standen hier sogar noch dichter, und es gab auch erheblich mehr Affen und zwitschernde bunte Vögel. Als er die stark riechende Luft atmete, mußte er daran denken, wie er mit dem kleinen Bruder am Ufer des bolong Krebse fangen gegangen war; sie warteten dort auf die Rückkehr der Frauen von den Reisfeldern und winkten der Mutter in ihrem Kanu zu.
    Omoro schlug in jedem Dorf am Baum der Reisenden den Weg ein, der die Ortschaft umging, doch wurden sie stets von den Kindern des ersten kafo begrüßt, die jedenfalls die neuesten Nachrichten verbreiteten, die Lokalnachrichten selbstverständlich. Einmal wurden sie von diesen Zwergen mit dem Ruf »Mumbo jumbo! Mumbo jumbo!« begrüßt, was diese offenbar für ausreichend hielten. Der Weg führte immerhin so nahe am Dorf vorbei, daß Omoro und Kunta sehen konnten, daß die Bewohner im Kreis um eine vermummte Figur standen, die drohend mit einem Prügel über dem nackten Rücken einer Frau fuchtelte, welche von anderen Frauen festgehalten wurde. Sämtliche weiblichen Zuschauer begleiteten jeden Schlag des Prügels mit furchtbarem Geschrei, und Kunta wußte aus den Erzählungen der Kameraden beim Ziegenhüten, worum es sich da handelte: Ein Mann, der sich wiederholt über seine Frau ärgern mußte, mietete sich im Nachbardorf einen mumbo jumbo , der mehrmals aus einem Versteck heraus die schuldhafte Ehefrau warnte und sie, falls dies nicht half, öffentlich ausprügelte; danach betrugen sich sämtliche Ehefrauen eine Weile vorbildlich.
    An einem Baum der Reisenden wurden sie von überhaupt niemandem begrüßt, und auch aus dem Dorf drang kein menschlicher Laut. Kunta fragte sich, ob auch hier die Sklavenjäger am Werk gewesen waren, und wartete vergeblich darauf, daß der Vater ihm das Geheimnis erkläre. Dies geschah durch die mitteilsamen Kinder des nächsten Dorfes. Sie deuteten auf den Weg, den die Kintes eben gekommen waren, und erzählten, der Älteste jenes Dorfes habe seine Dörfler unentwegt geärgert, bis diese es satt bekamen und eines Nachts, als er

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