Wurzeln
könne für dieses Amt.
Die Schüler waren inzwischen eifrig mit dem Verkauf von kleinen Stückchen gegerbter Rindshaut beschäftigt, die von den Käufern dem heiligen Mann hingereicht wurden, damit dieser sein Zeichen darauf mache. Wer ein vom heiligen Mann gezeichnetes Lederstück in seinem saphie- Talisman trug (Kunta hatte einen am Oberarm), der konnte gewiß sein, Allah immer nahe zu bleiben. Für die beiden Kaurischaien, die er aus Juffure mitgebracht hatte, erwarb auch Kunta solch einen Fetzen und schloß sich denen an, die den marabout umdrängten.
Es ging Kunta durch den Sinn, daß der Großvater diesem heiligen Mann geglichen haben mußte, dem Allah die Kraft verliehen hatte, ein verdurstendes Dorf zu retten, indem er regnen ließ, wie ja einst Kairaba Kunta Kinte auch Juffure gerettet hatte. Das hatte Kunta von seinen Großmüttern Yaisa und Nyo Boto gehört, so lange er zurückdenken konnte. Doch erst jetzt begriff er ganz die Größe dieses Vorfahren und des Islam. Nur ein einziger Mensch, beschloß Kunta, soll wissen, warum ich für meine kostbaren Kaurischalen diesen Lederfetzen gekauft habe und nun hier in der Menge stehe und warte, daß der heilige Mann sein Zeichen darauf macht. Nyo Boto will ich es geben und sie bitten, es für mich zu verwahren, bis die Zeit kommt, es in einen kostbaren saphie- Talisman einzunähen für meinen eigenen erstgeborenen Sohn.
Kapitel 21
Kuntas kafo -Kameraden beneideten ihn glühend um seine Reise und erwarteten, daß er mit übermäßig stolzgeschwellter Brust nach Juffure zurückkehren würde; sie hatten das zwar nicht ausdrücklich verabredet, waren aber entschlossen, seinen Erlebnissen gegenüber völlige Gleichgültigkeit an den Tag zu legen. So geschah es denn auch, und keiner seiner Freunde bedachte, wie sehr es Kunta kränken mußte, daß man nach seiner Rückkehr so tat, als sei er überhaupt nicht weggewesen, ja, daß man sogar Gespräche unterbrach, wenn er dazutrat, und ihn in jeder Weise schnitt. Kuntas langjähriger Freund Sitafa tat sich besonders dabei hervor. Kunta war davon so niedergeschlagen, daß er kaum Notiz nahm von seinem jüngsten Bruder Suwadu, der während seiner Abwesenheit zur Welt gekommen war.
Eines Nachmittags, als die Ziegen grasten, nahm Kunta sich vor, endlich wieder das alte Verhältnis zu den Kameraden herzustellen. Er setzte sich also zu ihnen, die abseits im Schatten ihre Mahlzeit hielten, und begann einfach zu erzählen. »Ich wollte, ihr hättet mitkommen können«, fing er ganz ruhig an und berichtete dann ausführlich, wie beschwerlich der Weg für ihn gewesen war, welche Schmerzen er gelitten, welche Angst er beim Anblick der Löwen ausgestanden hatte. Er beschrieb die Dörfer, die er gesehen, die Menschen, die er unterwegs getroffen hatte. Einer der Knaben mußte sich währenddessen um die Ziegen kümmern, und als er wieder zu den anderen stieß, setzte er sich unauffällig näher zu Kunta, dessen Bericht nun bereits von teilnehmenden Ausrufen der Hörer begleitet wurde; als er bis zur Ankunft im neuen Dorf der Onkel gelangt war, wurde es Zeit, die Ziegen heimzutreiben.
Am nächsten Morgen konnten die Jungen kaum die Ungeduld beherrschen, mit der sie das Ende des Unterrichts beim arafang erwarteten, und als die Ziegen auf der Weide waren, drängten sich alle um Kunta, der ihnen jetzt von den Angehörigen fremder Stämme und ihren unterschiedlichen Sprachen berichtete, denen er bei den Onkeln begegnet war. Gerade schilderte er die fernen Orte, die Janneh und Saloum besucht hatten, als die friedliche Stille vom wilden Bellen eines Hundes und dem kläglichen Schreien einer Ziege unterbrochen wurde.
Die Knaben sprangen auf und erblickten über den Spitzen des hohen Grases einen Panther, der soeben eine Ziege aus dem Maul fallen ließ und sich auf zwei Hütehunde stürzte. Die Knaben waren zu verängstigt, um etwas zu unternehmen, sie standen wie gelähmt und sahen zu, wie der Panther mit einer Tatze einen der Hunde fortschleuderte; der andere Hund sprang wie verrückt hierhin und dorthin, der Panther duckte sich furchtbar knurrend zum Sprung, und die Ziegen stoben in alle Himmelsrichtungen davon.
Nun endlich setzten die Jungen sich schreiend in Bewegung, hauptsächlich bemüht, die Ziegen nicht allzuweit entkommen zu lassen. Kunta aber rannte blindlings zu der gerissenen Ziege, die seinem Vater gehörte. Sitafa versuchte, ihn davon abzuhalten, sich zwischen die Hunde und den Panther zu werfen, doch nützte es
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