Wurzeln
klang gut vorbereitet. Immerhin war sie doch recht nervös. »Tuda Tamba ist zweiunddreißig Regen alt und ich dreiundvierzig, wir haben also kaum noch Aussicht zu heiraten.« Und sie ersuchte den Rat, einer teriya- Freundschaft zuzustimmen und zu erlauben, daß sie und Tuda Tamba für Sefo Kela und Kalilu Conteh kochten und bei ihnen schliefen.
Mehrere Älteste stellten Fragen an alle Beteiligten. Die Witwen erwiderten selbstbewußt, Kuntas Kameraden zögernd und unsicher, ganz im Gegensatz zu ihrem sonstigen forschen Auftreten. Sodann kehrten die Ältesten sich zur Beratung ab. Die Zuschauer verhielten sich mucksmäuschenstill. Endlich drehten die Ältesten sich um, und der Bescheid lautete: »Allah ist damit einverstanden. Ihr Witwen bekommt für euer Bett einen Mann, und euch jungen Leuten tut es gut, Erfahrungen für eine spätere Ehe zu sammeln.«
Der Ältestenvorsteher pochte mit dem Stab hart auf den Rand der Trommel und schaute mißbilligend die aufgeregt flüsternden Frauen unter den Zuhörern an. Erst als Schweigen herrschte, wurde der nächste Name getrommelt: »Jankeh Jallon!« Diese Fünfzehnjährige kam ihrer Jugend wegen als letzte dran. Ihr war es gelungen, einem toubob zu entfliehen, der sie geraubt hatte, und aus diesem Anlaß war in Juffure ein Fest gefeiert worden. Als sie wenige Monate später, obwohl unverheiratet, sichtbar schwanger ging, erregte das viel Klatsch. Da sie jung und kräftig war, hätte sie trotzdem noch als dritte oder vierte Frau bei einem älteren Mann unterkriechen können, doch das Kind, das sie gebar, war sonderbar hellhäutig und hatte merkwürdiges Haar. Man ging ihr fortan aus dem Weg, wich ihrem Blick aus. Mit Tränen in den Augen trat sie nun vor die Ältesten und fragte, was denn aus ihr werden solle? Die Ältesten berieten nicht, vielmehr bekam sie auf der Stelle den Bescheid, ihre Sache sei außerordentlich schwierig und ein Spruch könne erst bei einer folgenden Sitzung ergehen. Damit erhoben die Ältesten sich und gingen.
Kunta blieb nachdenklich und etwas verstört über die Behandlung des Falles noch sitzen, als die anderen Zuhörer sich schwatzend entfernt hatten; auch als Binta ihm später das Abendessen brachte, war er noch tief in Gedanken. Er aß schweigend, und auch sie sagte nichts. Als er dann später mit Speer und Hund auf Wache zog – er sollte die Nacht auf Posten außerhalb des Dorfes verbringen –. mußte er immer wieder an das hellhäutige Kind mit dem sonderbaren Haar denken, an den gewiß noch fremdartigeren Vater, und er fragte sich, ob jener toubob Jankeh Jallon gefressen haben würde, wenn sie ihm nicht entwischt wäre?
Kapitel 32
Kunta erstieg den Kletterbaum, in dessen Geäst eine solide Plattform angebracht war, von wo aus er einen guten Blick über die mit Erdnüssen bepflanzte Rodung hatte. Er legte seine Waffen neben sich, dazu die Axt, mit der er am folgenden Morgen endlich das Holz für den Trommelrahmen schlagen wollte, und sah seinem Hund zu, der schnüffelnd über das Feld lief, mal hierhin, mal dorthin. Anfangs hatte er, wenn er wachen mußte, beim geringsten Geräusch zum Speer gegriffen, und wäre es von einer huschenden Ratte verursacht worden. In jedem Schatten sah er einen Affen, in jedem Affen einen Panther, in jedem Panther einen toubob , bis endlich die Nerven und Augen sich auf ihre Aufgabe eingestellt hatten. Mit der Zeit unterschied er das Fauchen eines Leoparden von dem eines Löwen. Allerdings dauerte es lange, bis er seine Müdigkeit überwinden lernte. Wandten seine Gedanken sich nach innen, wie sie es unfehlbar taten, vergaß er leicht, wo er war und was sein Auftrag war. Allmählich lernte er dann, seine Aufmerksamkeit auf die Umgebung zu richten und dabei trotzdem seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.
In dieser Nacht beschäftigte er sich in Gedanken mit der teriya- Freundschaft, welche die Ältesten seinen Kameraden zugestanden hatten. Diese beiden redeten schon seit Monden davon, daß sie ihre Sache dem Rat unterbreiten wollten, doch hatte ihnen niemand glauben wollen. Und nun war es geschehen. Vermutlich, so dachte Kunta, treiben sie in diesem Moment mit ihren Witwen teriya. Kunta gab sich einen Ruck und malte sich aus, wie das wohl sei.
Was er über Frauen wußte, hatte er von seinen Kameraden gehört. Daß Brautväter die Jungfräulichkeit ihrer Töchter priesen, um den besten Preis herauszuschlagen, war ihm bekannt. Er wußte, daß Frauen jeden Mond Blutungen hatten, auch, daß Geburten und die
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