Wurzeln
einverstanden gewesen.
Bei den Ratssitzungen stellte sich dann allerdings heraus, daß die Eltern manches nicht gewußt hatten, was den Ältesten hinterbracht wurde. So wurde in einem Fall die Heiratserlaubnis verweigert, nachdem jemand angegeben hatte, der künftige Ehemann habe ihm als junger Ziegenhirt einen Korb gestohlen, als er sich unbemerkt glaubte; man habe damals nichts gesagt, weil der Dieb schließlich noch sehr jung war und man ihm zur Strafe die rechte Hand würde abgeschlagen haben. Kunta saß wie gelähmt, als der überführte Dieb in Tränen ausbrach und vor den entsetzten Eltern und der Braut gestand, die sogleich zu schreien anfing. Bald darauf verschwand er aus Juffure und ward nicht mehr gesehen.
Nachdem Kunta so während mehrerer Monate den Sitzungen beigewohnt hatte, kam er zu der Überzeugung, den größten Ärger bereiteten den Ältesten die Ehepaare – besonders solche, bei denen der Mann nicht nur eine Ehefrau hatte, sondern mehrere. Diese Männer beklagten sich meist darüber, daß eine ihrer Frauen Ehebruch begangen hätte, und wenn dem beteiligten Ehebrecher die Tat nachgewiesen werden konnte, erging es ihm schlecht. War der geschädigte Gatte arm, der Übeltäter aber wohlhabend, konnte er dazu verurteilt werden, seine Besitztümer Stück für Stück an den Geschädigten zu übergeben, bis dieser sagte: »Halt, jetzt reicht es«, was vielleicht erst geschah, wenn der Ehebrecher nichts mehr besaß als eine ausgeräumte Hütte. Meist handelte es sich aber um arme Männer, und diese wurden dann verurteilt, eine gewisse Zeit dem geschädigten Ehemann Sklavendienste auf dem Feld zu leisten. Ein rückfälliger Ehebrecher wurde von den Ältesten zu Kuntas Entsetzen zur öffentlichen Auspeitschung durch den betrogenen Gatten verurteilt; er sollte auf den nackten Rücken neununddreißig Schläge erhalten, in Übereinstimmung mit der islamischen Regel des »Vierzig weniger Eins«.
Kuntas Heiratslust kühlte sich merklich ab, als er hörte, wie bösartig die betroffenen Eheleute gegeneinander vor dem Rat aussagten. Männer beschuldigten ihre Frauen der Respektlosigkeit, der Faulheit, der Verweigerung des ehelichen Verkehrs, wenn die Reihe an sie kam, oder ganz allgemein der Unverträglichkeit. Konnte die beschuldigte Ehefrau solche Vorwürfe nicht durch Aussagen von Zeugen widerlegen, lautete der Spruch der Ältesten meist, der Gatte möge drei Besitztümer der Frau vor die Hütte stellen und vor Zeugen über diese Gegenstände laut und vernehmlich dreimal den Satz sprechen: »Ich scheide mich von dir.«
Der schwerste Vorwurf, den die Frauen erheben konnten und den anzuhören die gesamte weibliche Einwohnerschaft erschien, lautete, ihr Gatte sei kein richtiger Mann, mit anderen Worten, er könne sie nicht befriedigen. In solchen Fällen benannte der Rat drei ältere Personen – aus der Familie des Mannes, aus der der Frau und einen der Ältesten –, die an einem festgelegten Tage den Geschlechtsverkehr der Gatten zu begutachten hatten. Waren zwei dieser drei der Meinung, die Frau habe recht, durfte sie sich scheiden lassen, und ihre Eltern durften den Kaufpreis für die Braut behalten. Waren zwei der Beobachter aber der Meinung, der Gatte habe seine Sache gut gemacht, bekam er nicht nur den Kaufpreis zurück, sondern durfte seine Gattin auch verprügeln und sich von ihr scheiden lassen.
Seit Kunta aus dem jujuo zurück war, hatte kein Fall solches Aufsehen erregt wie der, der zwei junge Männer seines eigenen kafo und zwei heiratsfähige junge Witwen betraf. Angefangen hatte es selbstverständlich mit Klatsch. Als die Sache endlich vor die Ältesten kam, drängte alles hinzu und suchte einen günstigen Platz. Zunächst wurden mehrere Sachen verhandelt, die ältere Mitbürger angingen, dann kam der Fall Dembo Dabo und Kadi Tamba, die vor mehr als einem Regen von dem Ältestenrat die Scheidung erwirkt hatten, nun aber strahlend vor den Rat traten und um Erlaubnis baten, wieder heiraten zu dürfen. Sie hörten aber auf zu strahlen, als sie hören mußten: »Ihr wolltet unbedingt geschieden sein, und darum dürft ihr erst wieder heiraten, wenn jeder von euch mit einem anderen verheiratet gewesen ist.«
Die erstaunten Äußerungen der Zuhörer verstummten erst, als die Trommel die nächsten Namen aufrief: »Tuda Tamba und Kalilu Conteh! Fanta Bedeng und Sefo Kela!« Kuntas kafo- Kameraden und die beiden Witwen standen auf. Die größere der Witwen, Fanta Bedeng, sprach für alle vier, und es
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